Das politische Schicksal des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi hängt an einem seidenen Faden. Nach dem Austritt zweier Abgeordneter aus seiner Partei der Freiheit hat der 75-jährige im Parlament möglicherweise keine Mehrheit mehr.
Die beiden Politiker schlossen sich der oppositionellen Zentrumspartei an, so dass sich Berlusconi jetzt nur noch auf 314 von 630 Mitglieder in der Abgeordnetenkammer stützen kann. Zudem fordern mindestens sieben andere Abgeordnete aus dem Koalitionslager die Bildung einer neuen Regierung.
Sie könnten sich bei der nächsten Abstimmung dem Regierungschef verweigern. „Die Mehrheit schmilzt wie ein Schneemann im Frühling“, kommentierte die Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“.
Berlusconi, der Rücktrittsforderungen wiederholt abgelehnt hatte, zeigte sich überzeugt, sein Amt verteidigen zu können. Seine Regierung verfüge über eine solide Parlamentsmehrheit, sagte der konservative Politiker nach dem G20-Gipfel in Cannes.
Unter IWF-Kontrolle
Dort hatte er eine weitere Blamage hinnehmen müssen: Im Kampf gegen die immense Verschuldung sicherte Italien am Freitag zu, seine Reformbemühungen den Kontrollen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu unterwerfen. Bisher hatte nur die EU-Kommission den Auftrag, die italienischen Reformschritte zu überwachen.
Nach französischer Vorstellung sollen zudem die Europäische Zentralbank (EZB) und der Euro-Rettungsfonds EFSF intervenieren, falls es auf den Finanzmärkten eine Attacke auf Italien gibt. „Die EZB und der Fonds stehen bereit, falls dies nötig ist“, sagte der französische Präsident Nicolas Sarkozy: „Italien ist nicht allein.“
Vor heiklen Abstimmungen
Innenpolitisch muss Berlusconi am Dienstag eine entscheidende Hürde nehmen. Geplant ist in der Abgeordnetenkammer eine heikle Abstimmung über das Budget. Bei einer ähnlichen Abstimmung im Oktober hatte die Regierung eine schwere Niederlage erlitten.
Nächste Woche unterzieht sich der Medienzar ausserdem im Senat einer Vertrauensabstimmung über das Stabilitätsgesetz zur Eindämmung der Verschuldung. Zwar verfügt der Premier im Senat über eine solidere Mehrheit als in der Abgeordnetenkammer.
Dem gebeutelten Berlusconi droht jedoch das Aus, sollten ihm weitere Parlamentarier aus seiner Partei den Rücken kehren. Innenminister Roberto Maroni, Nummer Zwei der mit Berlusconi verbündeten Partei Lega Nord, warnte, dass es zu vorgezogenen Parlamentswahlen kommen würde, sollte Berlusconi stürzen.
Grosskundgebung am Samstag
Eine Allparteienregierung, wie sie die Opposition verlangt, schloss Maroni aus. In Rom wird auch über ein Expertenkabinett unter der Führung des ehemaligen EU-Währungskommissars Mario Monti spekuliert. Die Opposition verstärkt unterdessen ihre Anstrengungen, den Premier aus dem Amt zu drängen.
Die beiden stärksten Oppositionsparteien – „Demokratische Partei“ (PD) und „Italien der Werte“ (IdV) – wollen gegen Berlusconi einen Misstrauensantrag einbringen. Unterschriften werden im Parlament gesammelt, um das Dokument mit dem Antrag einzureichen.
Für Samstag ist ausserdem eine Grosskundgebung in Rom geplant. „Fest für die Demokratie“ heisst die von der Demokratischen Partei organisierte Demo, zu der mehrere hunderttausend Menschen erwartet werden. Die Kundgebung, die das Fernsehen live überträgt, wird von Oppositionschef Pierluigi Bersani angeführt.