Der Schrecken der Flüchtlingskrise in Südostasien hat eine neue Dimension: Im Norden Malaysias entdeckten Ermittler am Wochenende fast 140 Flüchtlingsgräber und 28 von Schleppern eingerichtete Lager für hunderte Menschen.
Hunderte Flüchtlinge könnten in der Region ums Leben gekommen sei, darunter vermutlich zahlreiche Angehörige der in Myanmar unterdrückten muslimischen Minderheit der Rohingya.
Es sei noch unklar, wie viele Leichen in den Gräbern im malaysisch-thailändischen Grenzgebiet verscharrt seien, sagte Landespolizeichef Khalid Abu Bakar. Sie würden nun exhumiert und untersucht. In einem der entdeckten Flüchtlingslager könnten bis zu 300 Menschen gelebt haben. Ein weiteres Lager habe etwa hundert Menschen fassen können, die übrigen jeweils 20.
Die malaysischen Behörden hatten den grausigen Fund am Sonntag bekanntgegeben, dessen ganzes Ausmass aber erst durch Khalids Äusserungen am Montag deutlich wurde. Die Lager und Gräber wurden im Bundesstaat Perlis nahe der Grenze zu Thailand entdeckt.
Überlebende und Zurückgebliebene hatten berichtet, dass sie oder ihre teils minderjährigen Kinder von Schleppern mit dem Versprechen auf Boote gelockt wurden, sie würden nach Malaysia eingeschleust und könnten dort gute Arbeit finden.
Menschenhändler verfrachten viele Leute aber in Wirklichkeit in Camps und erpressen ihre bitterarmen Familien, für die Passage oder Freilassung Geld zu zahlen.
Mögliche Mitschuld der Behörden
Die malaysische Regierung hatte die Existenz von Flüchtlingslagern auf ihrem Staatsgebiet bislang abgestritten. Regierungschef Najib Razak erklärte, er sei «tief beunruhigt» über den Fund. «Wir werden die Verantwortlichen finden», schrieb er auf seiner Facebook-Seite.
Menschenrechtler gaben den malaysischen Behörden eine Mitschuld an der Flüchtlingstragödie. Der Menschenhandel werde durch korrupte Grenzbeamte begünstigt, sagte Aegile Fernandez von der Aktivistengruppe Tenaganita. «Ich bin überzeugt davon, dass die Polizei die kriminellen Netzwerke kennt. Entscheidend ist, ob sie den Willen hat, sie zu stoppen», sagte sie.
Polizeichef Khalid wollte sich zu den Vorwürfen nicht äussern. Er verwies lediglich darauf, dass die Lager in einer abgelegenen Bergregion errichtet worden seien, die nur in einem mehrstündigen Fussmarsch zu erreichen sei.
Malaysia und Indonesien geben nach
Malaysia und Indonesien erklärten sich unter internationalem Druck zur vorübergehenden Aufnahme von Flüchtlingen bereit, nachdem sie deren Boote zunächst abgewiesen hatten. Auch Myanmar signalisierte Bereitschaft zu humanitärer Hilfe.
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) geht davon aus, dass noch mehrere Tausend Flüchtlinge auf hoher See driften, auch wenn die Marinen Malaysias und Indonesiens nach eigenen Angaben keine Flüchtlingsboote finden. «Das Gebiet ist riesig, dort sind 100’000 Fischerboote unterwegs», sagt IOM-Sprecher Joe Lowry. «Darunter das Dutzend mit Flüchtlingen zu finden, ist schwierig», fügte er an.
Rund 3000 Menschen sind seit Anfang Mai in Malaysia und Indonesien an Land gekommen. Lowry warnte vor einer weiteren menschlichen Katastrophe. «Die, die vergangene Woche Indonesien erreichten, waren in desolatem Zustand», sagte Lowry.
Flüchtlinge aus Myanmar und Bangladesch
Viele der Flüchtlinge kommen aus Myanmar und gehören der Minderheit der Rohingya an. Als Muslime sind sie in dem mehrheitlich buddhistischen Land systematischer Diskriminierung ausgesetzt.
Die Regierung bezeichnet die Rohingya als illegale Migranten aus dem benachbarten Bangladesch und lehnte bislang jede Verantwortung für die Volksgruppe ab. Auch aus Bangladesch fliehen viele Menschen vor Armut.
Am Sonntag äusserte sich Bangladeschs Ministerpräsidentin Sheikh Hasina mit drastischen Worten zu der Flüchtlingskrise. Die Flüchtlinge beschmutzten das Image Bangladeschs, sagte die Ministerpräsidentin. Sowohl Menschenhändler als auch diejenigen, die illegal das Land zu verlassen suchten, müssten bestraft werden.