Polizei geht in Istanbul erneut gewaltsam gegen Demonstranten vor

In Istanbul hat die türkische Polizei am Samstag erneut Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt. Das Wasser war zeitweise mit einer Chemikalie versetzt, die ähnlich wie Tränengas wirkt.

Einsatz von Wasserwerfern gegen Demonstranten in Istanbul (Bild: sda)

In Istanbul hat die türkische Polizei am Samstag erneut Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt. Das Wasser war zeitweise mit einer Chemikalie versetzt, die ähnlich wie Tränengas wirkt.

Die Polizei trieb damit Hunderte auseinander, die sich in dem im Stadtzentrum liegenden Gezi-Park versammeln wollten. Dorthin hatte ein Brautpaar per Internet zu seiner Hochzeit geladen, das sich bei den Protesten gegen die Regierung im vergangenen Monat kennengelernt hatte. Den jüngsten Polizeieinsatz gegen Demonstranten in Istanbul hatte es vor einer Woche gegeben.

Polizisten setzten in der Umgebung des zentralen Taksim-Platzes am Samstagabend Wasserwerfer und Plastikgeschosse ein, wie Augenzeugen berichteten.

Demonstranten klagten über Beschwerden an den Augen und in den Atemwegen. Offenbar können Wasserwerferpiloten die unbekannte Substanz dem Wasser auf Knopfdruck hinzumischen. Das Wasser färbt sich dann orange, Wasser und Sprühnebel rufen teils schwere Reizungen hervor.

Polizisten verfolgten Demonstranten in Seitengassen der Einkaufsstrasse Istiklal Caddesi, die zum Taksim-Platz führt. Demonstranten berichteten über Twitter von Festnahmen. In der Fussgängerzone waren zum Zeitpunkt des Wasserwerfereinsatzes auch zahlreiche Passanten und ausländische Touristen unterwegs.

An den Bebauungsplänen für den Gezi-Park hatten sich landesweite Proteste gegen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan entzündet. Die Demonstrationen, bei denen fünf Menschen starben und Tausende verletzt wurden, waren jedoch in den vergangenen Wochen weitgehend abgeebbt.

Sympathiepunkte verloren

Das harte Vorgehen gegen Demonstranten hat die türkische Regierung nach Umfragen Sympathiepunkte bei den Wählern gekostet. Die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) käme im Falle einer Parlamentswahl nur noch auf 44,1 Prozent, zitierte die Zeitung «Hürriyet Daily News» am Samstag aus einer Umfrage des Meinungsinstituts Sonar.

Im Februar 2012 seien es noch 53,2 Prozent und im vergangenen November 47,3 Prozent gewesen. Institutschef Hakan Bayrakci führte die gesunkenen Werte auf die seit Ende Mai andauernden landesweiten Protesten zurück, gegen die die Regierung mit harter Hand vorgeht.

Die wichtigste Oppositionspartei, die Republikanische Volkspartei (CHP), kommt in der Umfrage auf 28,2 Prozent – nach 19,8 Prozent im Februar 2012 und 25,2 Prozent im November, wie die Zeitung weiter berichtete.

Sonar befragte demnach zwischen dem 8. und 16. Juli 3000 Menschen quer durch die Türkei. Bei der Wahl im Juni 2011 hatte die islamisch-konservative AKP von Erdogan 49,8 Prozent der Stimmen auf sich vereinen können.

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