Premiere des Bundesrates wird nicht überall goutiert

Der Entscheid des Bundesrates, die Durchsetzungsinitiative teilweise für ungültig zu erklären, wird von den Parteien unterschiedlich bewertet. SP und CVP begrüssen diese Premiere des Bundesrates. Die FDP befürchtet aber, dass sich der Bundesrat aufs Glatteis begibt.

Eine Frau wartet im Flughafengefängnis auf Ausschaffung (Archiv) (Bild: sda)

Der Entscheid des Bundesrates, die Durchsetzungsinitiative teilweise für ungültig zu erklären, wird von den Parteien unterschiedlich bewertet. SP und CVP begrüssen diese Premiere des Bundesrates. Die FDP befürchtet aber, dass sich der Bundesrat aufs Glatteis begibt.

Volksrechte sollten nur bei klarem Verstoss gegen zwingendes Völkerrecht beschnitten werden. «Besser ist es, das Volk vom Unsinn eines Vorschlags zu überzeugen», hielt die FDP in einer Mitteilung fest. Bei der Ungültigerklärung von Initiativen erwartet die FDP vom Bundesrat «grösste Zurückhaltung».

Zugleich ist die Partei der Meinung, dass der Volksentscheid zur Ausschaffungsinitiative umzusetzen ist. Sie will, dass die Staatspolitische Kommission rasch klärt, ob die Durchsetzungsinitiative das zwingende Völkerrecht richtig definiert.

Die CVP hingegen begrüsst den Entscheid des Bundesrates, weil sie die Durchsetzungsinitiative der SVP als unnötig betrachtet. Zugleich will sie aber genau prüfen, ob der vom Bundesrat beanstandete Teil der Durchsetzungsinitiative auch tatsächlich zwingendem Völkerrecht widerspricht. Ihr Anliegen ist es, die Ausschaffungsinitiative völkerrechtskonform umzusetzen.

SVP warnt vor Schwächung der Demokratie

Auch die SP begrüsst den Entscheid, weil es eine «Anmassung der Initianten ist, selber definieren zu wollen, was zum zwingenden Völkerrecht gehört – das ist den zuständigen Institutionen der internationalen Gemeinschaft überlassen», hält sie in einer Mitteilung fest. Sie wirft der SVP «Verfassungsgebung mit der Brechstange» vor.

Genau dies wirft die SVP dem Bundesrat vor. Mit seinem Entscheid und seiner Argumentation schwinge sich der Bundesrat «in gefährlicher und anmassender Weise zum Verfassungsgeber auf, eine Aufgabe, die ihm gar nicht zusteht». Für sie ist klar, dass ihre Initiative weder gegen die Bundesverfassung noch gegen Bestimmungen des zwingenden Völkerrechts verstösst.

Die SVP warnt auch vor der Schwächung der Volksrechte: Der Bundesrat werde künftig von ausländischen Experten, Staatsrechtlern und fremden Richtern formuliertes «nicht demokratisch legitimiertes internationales Recht» über schweizerisches Recht stellen.

Experte teilt Auffassung des Bundesrates

Dass die SVP via Initiative bei Ausschaffungen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) heraushalten will, geht aus Sicht des Berner Staats- und Völkerrechtlers Jörg Künzli nicht. Teile der Konvention seien zwingendes Völkerrecht, sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur sda.

Künzli teilt deshalb die Auffassung des Bundesrates, der Teile der SVP-Durchsetzungsinitiative für ungültig erklären lassen will. Die Definition von zwingendem Völkerrecht innerhalb des Initiativtextes sei zu eng gefasst, sagte der Professor der Universität Bern weiter, «und vor allem kann die Schweiz nicht selber bestimmen, was zwingendes Völkerrecht ist.»

Der Initiativtext lässt ausschliesslich «das Verbot der Folter, des Völkermords, des Angriffskrieges, der Sklaverei sowie das Verbot der Rückschiebung in einen Staat, in dem Tod oder Folter drohen» als zwingendes Völkerrecht zu.

«Andere Bestandteile des zwingenden Völkerrechts, wie etwa das Verbot unmenschlicher Behandlung oder willkürlicher Haft, die auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthalten sind, fehlen in der Aufzählung» sagte Künzli.

Strassburg umgehen

«Die Initiative will, dass alle Ausländer, die Delikte begangen haben, ausgeschafft werden. Damit müsste auch jemand zurückgeschafft werden, wenn ihm in seiner Heimat aus politischen Gründen 50 Jahre Haft drohen. Auch wenn jemand – zwar nicht gerade von Folter bedroht wäre – jedoch in einem Gefängnis unmenschlich behandelt würde, würde er zurückgeschafft», erklärte Künzli.

Dies verstosse jedoch gegen zwingendes Völkerrecht, wie es in der EMRK festgehalten sei. Die Durchsetzungsinitiative habe zum Ziel, dass der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg bei Ausschaffungen nicht mehr angerufen werden könne. «Ziel der Initiative ist, Strassburg zu umgehen», sagte Künzli.

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