Presse zollt Hildebrand Respekt und sieht Gefahr für Rechtsstaat

Die Deutschschweizer Presse reagiert überwiegend mit Bedauern auf den Rücktritt von Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand und zollt ihm Respekt für den Schritt, der das Ansehen der Institution schütze. Allerdings wird die Demission in den Kommentaren auch als unausweichlich beurteilt.

Beim Rücktritt von Philipp Hildebrand ist der Bundesrat überzeugt, alles richtig gemacht zu haben – trotz der heftigen Kritik. (Bild: sda)

Die Deutschschweizer Presse reagiert überwiegend mit Bedauern auf den Rücktritt von Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand und zollt ihm Respekt für den Schritt, der das Ansehen der Institution schütze. Allerdings wird die Demission in den Kommentaren auch als unausweichlich beurteilt.

„Hut ab!“ schreibt die „NZZ“ in ihrem Kommentar. Es sei „selten geworden in der heutigen Zeit, dass ein Verantwortungsträger des öffentlichen Lebens die Konsequenzen aus einer äusserst trüben Affäre“ ziehe. Üblich sei Sesselkleberei. Hildebrand, ein „kluger und international bestens vernetzter Kopf“, sei in seiner Funktion ersetzlich, müsse es sein.

Die „NZZ“ prangert aber auch den „dreisten Datendiebstahl“ innerhalb der Bank Sarasin an und spricht von „politisch irrlichternden Kreisen“. Die Verantwortlichen seien „für allfällig straf- und medienrechtliche Verfehlungen“ schonungslos zur Verantwortung zu ziehen.

„Aufrechter“ Abgang

Hildebrand sei keine andere Wahl geblieben als der Rücktritt, schreibt der „Tages-Anzeiger“. Völlig freiwillig sei dieser offenbar auch nicht gewesen. Mit einem „Befreiungsschlag“ trete Hildebrand nun „aufrecht“ ab.

Das Misstrauen im Bankrat sei gewachsen – „ein Gift, das die Glaubwürdigkeit eines Notenbankers zersetzt“, schreibt der „Tages-Anzeiger“ weiter. Allerdings habe auch die Kampagne einzelner Medien „mehr und mehr die Züge einer Treibjagd“ gehabt.

„Wer ist der Nächste?“, fragt der „Blick“ im Titel seines Kommentars. Es sei „ein Tag für die Geschichtsbücher“ gewesen, „ein rabenschwarzer!“ – denn „zum ersten Mal in neuerer Zeit“ sei ein Amtsinhaber zurückgetreten, weil er seine Unschuld nicht beweisen könne. Was dessen Gegner behaupteten, sei „entweder eindeutig falsch oder nicht belegbar“.

„Hildebrand selbst schuld“

„Wer ist schuld, wenn nicht Hildebrand selbst?“, titelt die „Basler Zeitung“. Der Nationalbankpräsident habe „die richtigen Konsequenzen aus seinen falschen Handlungen gezogen“, argumentiert Chefredaktor Markus Somm, Biograph von Christoph Blocher und früherer stellvertretender Chefredaktor der „Weltwoche“.

„Hildebrand ist kein Opfer. Er musste gehen“, ist Somms Fazit. Denn: „Wäre Hildebrand länger im Amt geblieben, hätte sich im Ausland der Eindruck festgesetzt, in der Schweiz halte man Insider-Geschäfte eines Notenbankchefs für akzeptabel, – sofern die Frau oder andere nahe Verwandte diese Methoden praktizierten“, begründet der „BaZ“-Chefredaktor.

Für Devisengeschäfte kein Platz

Und die „Luzerner Zeitung“ schreibt: „Für Devisengeschäfte auf dem Privatkonto eines Notenbankers gibt es in der zivilisierten Welt keinen Platz.“ So „integer“ Hildebrand erschienen sei, so sorglos habe er sich im Umgang mit seinen Konten verhalten. Entscheidend sei hinzugekommen, dass Hildebrand nicht auf eine funktionierende Kontrollbehörde habe zählen können.

Mit seinem Rücktritt habe Hildebrand „die richtigen Schlüsse aus der Affäre um seine Person gezogen“, schreibt die „Berner Zeitung“ in ihrem Kommentar. „Hildebrands grosse Verdienste bei der Bewältigung der Finanz- und Währungskrise“ würdigt das Blatt ausdrücklich.

Auch für den „Bund“ ist der Abgang Hildebrands „wohl unausweichlich“. Allerdings habe dieser „sehr teuer bezahlt“. Aber: Hildebrands Rücktritt habe „Klasse – im Gegensatz zur Hexenjagd, zu welcher die SVP und ihre publizistischen Helfershelfer geblasen hatten“, heisst es in der Hauptstadtzeitung.

Unschuldsvermutung umgekehrt

Die „Südostschweiz“ spricht von „beträchtlichem Kollateralschaden“ und sieht schwarz für den Rechtsstaat Schweiz.

„Grossinquisitor Christoph Blocher und sein Schnellgericht von der ‚Weltwoche‘ haben es flugs geschafft, die Unschuldsvermutung, einen der wesentlichsten Pfeiler jeder demokratischen Rechtsordnung, in ihr Gegenteil zu verkehren.“ Nicht mehr der Kläger müsse die Beweise für die Schuld liefern, sondern der Beklagte für seine Unschuld, heisst es in der Zeitung aus Chur.

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