Die Schweizer Privatbanken sehen Frankfurt und vor allem Luxemburg als potenzielle Brexit-Gewinner im Finanzbereich. Mögliche «quick wins» für die Schweiz könnten Anleger bieten, die Vermögen vermehrt in der Schweiz deponierten, solange keine Lösung gefunden sei.
Von der neuen Schwäche Londons als Folge des Brexits werde man aufgrund des fehlenden Marktzugangs der Schweizer Finanzdienstleister in die EU kaum profitieren, erklärte Boris Collardi, Präsident der Vereinigung Schweizerischer Assetmanagement- und Vermögensverwaltungsbanken, am Donnerstag vor den Medien in Bern.
Ausserdem seien die Produktionskosten ähnlich hoch wie in der Londoner City und das regulatorische Dickicht nehme auch in der Schweiz zu. Damit dürften die wirtschaftlichen Konsequenzen aus dem Brexit für den Finanzplatz Schweiz zunächst überschaubar sein.
Die exportorientierten Schweizer Privatbanken stehen derzeit vor einigen Herausforderungen. Laut Yves Mirabaud, Präsident der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken, müssen sich die Banken gar neu erfinden, ohne Stabilität, Offenheit und Exzellenz einzubüssen.
Den Paradigmawechsel symbolisiert für Mirabaud am Besten die Einführung des automatischen Informationsaustausches auf 1. Januar 2017, wie der Verwaltungsratspräsident der Privatbank Mirabaud in Bern feststellte. Mit dem Ende des Bankgeheimnisses gegenüber ausländischen Steuerbehörden sei nämlich ein Stück Schweizer Bankgeschichte zu Ende gegangen.
Offene Fragen
«Die Schweiz kann künftig nicht mehr ihre eigenen Vorschriften erlassen, ohne den internationalen Standards Rechnung zu tragen», betonte Mirabaud. Damit die Branche weiterhin erfolgreich wirtschaften könne, seien Lösungen für die drei aktuellen Dossiers wichtig: Unternehmenssteuerreform III, Beziehungen zur EU sowie das Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und das Finanzinstitutsgesetz (FINIG).
Die Annahme der Unternehmenssteuerreform III sei Voraussetzung dafür, dass die Schweiz weiterhin ein attraktives und konkurrenzfähiges Steuersystem habe. Die Beziehungen zum wichtigsten Handelspartner EU müssten zudem wieder auf ein solides Fundament gestellt werden. Mit einem Umsatzanteil von 40 Prozent sei die EU der wichtigste Markt der Schweizer Privatbanken.
Privatbanken seien zudem stärker als andere Banken auf ausländische Spezialisten angewiesen. Damit europäische Kunden weiterhin von der Schweiz aus bedient werden könnten, müssten so viele bilaterale Abkommen wie möglich mit den wichtigsten europäischen Ländern abgeschlossen werden.
Schliesslich braucht es nach Ansicht von Mirabaud eine rasche Umsetzung von FIDLEG und FINIG, damit ein verbesserter und praxistauglicher Anlegerschutz geschaffen werde. Dadurch könne der für Schweizer Finanzdienstleister essentielle Marktzugang in die EU erleichtert werden.