Der Schweizer FIFA-Anti-Korruptionsexperte und Jurist Mark Pieth kritisiert die FIFA-Ethikkommission in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung heftig.
«Es ist normal, dass man vor mächtigen Leuten kuscht. Die Ethikkommission hat es jetzt leider auch gemacht», sagte der Rechtsprofessor. Am Freitag hatte die Ethikkommission erklärt, FIFA-Präsident Gianni Infantino müsse keine Strafe fürchten, er habe nicht gegen Verhaltensregeln verstossen. Zu diesem Schluss kam die Kommission nach mehrwöchigen Untersuchungen gegen den 46-Jährigen.
Mit den «mächtigen Leuten» meinte Pieth den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den Emir von Katar. Denn untersucht wurden auch die Kostenübernahmen für mehrere Flüge Infantinos – offenbar im Zusammenhang mit Reisen in die künftigen WM-Gastgeberländer Russland und Katar. Dem Nachfolger von Joseph Blatter wurden zudem mögliche Vergehen gegen vier Paragrafen des Ethikcodes vorgeworfen.
Pieth zeigte sich vor allem darüber «sehr überrascht», dass die Ethikkommission den für ihn wichtigsten Punkt überhaupt nicht diskutiert hatte. Beim FIFA-Kongress in Mexiko City Anfang Mai habe Infantino hundert Tage nach Amtsantritt eine Statutenänderung veranlasst. Damit habe er vorübergehend die Möglichkeit gehabt, Mitglieder der Ethikkommission abzusetzen.
«Im Klartext mobbte er damit den unabhängigen Aufseher Domenico Scala aus dem Amt», sagte Pieth. «Es ging Infantino um seinen persönlichen Lohn. Für mich ist es ein ganz klarer Interessenskonflikt, wenn jemand für seine persönliche Bereicherung bereit ist, ein zentrales Element der Reformen in Frage zu stellen.»