Vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona hat am Freitag der Prozess gegen einen ehemaligen Angestellten der Bank Reyl begonnen. Er gestand, wirtschaftlichen Nachrichtendienst betrieben und Geschäftsgeheimnisse verletzt zu haben.
Der Prozess verläuft in einem abgekürzten Verfahren, das heisst, dass sich die Bundesanwaltschaft und der Beschuldigte Ex-Mitarbeiter der Genfer Privatbank Reyl zuvor auf ein Strafmass geeinigt haben. Sollte das Gericht dieser Vorgabe folgen, dann würde der 44-jährige zu einer bedingten Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Vor Gericht gestand Pierre Condamin-Gerbier seine Schuld in allen Anklagepunkten ein. Er entschuldigte sich zudem bei seinem alten Arbeitgeber für seinen Fehler und den entstandenen Schaden.
Condamin-Gerbier habe nie in der Vermögensverwaltung der Bank Reyl gearbeitet, sagte eine Sprecherin der Bank am Rande des Prozesses der Nachrichtenagentur sda. Er sei in der Zeit vor seiner Entlassung 2010 in der Kundenbetreuung eingesetzt worden. Ihn als «Banker» zu bezeichnen, sei deshalb nicht korrekt.
Beweise für Vorwürfe fehlen
Dem Franzosen wird laut Strafbefehl vorgeworfen, zwischen Februar und Juli 2013 im Fahrwasser der Affäre Cahuzac wiederholt und aus eigenem Antrieb Kontakt zu verschiedenen französischen Medien gesucht zu haben, um sie über «interne und vertrauliche Vorgänge der Bank Reyl» zu informieren.
Im Juni 2013 hatte Condamin-Gerbier vor einer Kommission des französischen Senats behauptet, er sei im Besitz einer Liste mit französischen Steuerbetrügern. Diese enthalte auch die Namen von 15 französischen Ministern und Ex-Ministern, die mit der Bank Reyl in Kontakt stünden. Die Existenz dieser Liste ist gemäss Strafbefehl der Bundesanwaltschaft jedoch erfunden gewesen.
Dieses Verhalten habe der Reyl Gruppe «erheblich geschadet», sagte der Anwalt der Genfer Privatbank am Freitag vor Gericht. Er berief sich auf die Untersuchungen der Bundesanwaltschaft, wonach die Anschuldigungen Condamin-Gerbiers «jeglicher Beweisgrundlage entbehren».
Die Verteidigung Condamin-Gerbiers relativierte vor Gericht, dass eine Anschuldigung ohne Beweisgrundlage nicht zwangsläufig mit einer Lüge gleichgesetzt werden sollte.
Bedingte Haftstrafe erwartet
Nach seiner Verhaftung im Juli 2013 sass Condamin-Gerbier für zweieinhalb Monate in Untersuchungshaft. Diese verbüsste Haftzeit wird im Urteil, das am Freitagnachmittag erwartet wird, berücksichtigt werden.
Sollte der Richter dem zwischen Bundesanwaltschaft und Verteidigung ausgehandelten Strafmass zustimmen, muss Condamin-Gerbier zwar nicht ins Gefängnis, jedoch mit einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechnen. Zudem müsste er einen Schadensersatz im sechsstelligen Bereich an die Bank zahlen und die Anwaltskosten übernehmen.