Der Beschuldigte im Mordprozess von Pfäffikon ZH ist nicht krank und voll schuldfähig. Dies hat Psychiater Frank Urbaniok am Mittwoch vor dem Bezirksgericht ausgeführt. Der Gutachter sieht zudem ein hohes Risiko für erneute Gewalttaten gegen Familienmitglieder.
Dass es wiederum zu schwerer Gewalt gegen Aussenstehende kommen könnte, sei sehr viel weniger wahrscheinlich, sagte Urbaniok. Das Risiko sei aber doch immer noch viel höher als im Durchschnitt der Bevölkerung.
Der Psychiater schilderte den 60-jährigen Kosovaren als herrschsüchtigen, misstrauischen und jähzornigen Patriarchen. Die zentralen Persönlichkeitszüge – Dominanzstreben, Rigidität und Impulsivität – seien beim Beschuldigten stark ausgeprägt und «chronisch verankert».
Dennoch könne man ihn nicht als psychisch krank bezeichnen. Er sei deshalb voll schuldfähig. Eine Therapie empfiehlt der Psychiater aber nicht. Die Erfolgsaussichten wären gering.
Keine Affekthandlungen
Die Tötungsdelikte passen laut Urbaniok gut zu den Persönlichkeitsmerkmalen. Affekthandlungen seien es keine gewesen. Auch wenn namentlich die Tötung der Ehefrau eine naheliegende und logische Folge dieser Persönlichkeitsmerkmale gewesen sei: Für den Mann hätte es durchaus «zumutbare Alternativen» gegeben zum Töten.
Die Welt um sich herum nahm der Kosovare laut Gutachter eher feindlich und ihm übel gesinnt wahr. Misstrauen und Verteidigungshaltung waren deshalb seine Grundeinstellungen. Angesichts der verunsichernden Welt sei es für ihn umso wichtiger gewesen, «in seiner eigenen kleinen Welt» die Ordnung aufrecht zu erhalten.
Und was «Ordnung» bedeutete, bestimmte er, das unantastbare Familienoberhaupt. Er sah sich als «Mass aller Dinge», wie Urbaniok sagte: Er stellte die Regeln auf und er setzte deren Einhaltung durch, koste es, was es wolle.
Gewalt, Drohungen und Beschimpfungen waren denn auch schon jahrelang Alltag in der Familie. Immer wieder wurden deshalb die Behörden eingeschaltet. Je weniger die sechs heranwachsenden Kinder spurten, desto rigider musste der Vater auf die Einhaltung der Regeln pochen.
Schwindende Kräfte des Patriarchen
Aber trotz aller Gewaltanwendung konnte er nicht verhindern, dass ihm die Zügel zusehends aus den Händen glitten. Dazu kamen gesundheitliche Probleme: Der Patriarch merkte, dass seine Kräfte schwanden.
Und als schliesslich gar seine Ehefrau die Unterdrückung nicht mehr hinnahm, ihren Mann anzeigte und die Scheidung wollte, da sei das für den Beschuldigten der Gipfel der Provokation gewesen. Er habe die Dominanz nur dadurch wieder herstellen können, indem er sich zum Herrn über Leben und Tod aufschwang.
Am 15. August 2011 erschoss er die 52-jährige Frau auf offener Strasse in Pfäffikon mit drei Schüssen aus einer Pistole. Diese hatte er eine Woche zuvor aus dem Kosovo mitgebracht.
Minuten später feuerte er die vierte und letzte Kugel in den Kopf der 48-jährigen örtlichen Sozialdienstleiterin. Sie hatte die Frau in ihren Freiheitsbestrebungen unterstützt und ihm – seiner Meinung nach – zu wenig Unterstützungsgelder zugesprochen.
Der Mann wurde noch am gleichen Tag verhaftet und sitzt seither in Haft. Die Tötungsdelikte hat er nie abgestritten. Am Freitag geht die Verhandlung mit den Plädoyers weiter. Das Urteil wird am 19. April eröffnet.