Die russische Wirtschaftskrise dominiert die Sorgen der Russen. In seinem jährlichen Sprechstunden-Marathon beantwortete Präsident Putin 80 Fragen seiner Bürger. Auch die «Panama Papers» lassen die Russen nicht kalt.
Angesichts der schweren Rezession in Russland rief der Staatschef die Bürger zum Durchhalten auf. «Unsere Wirtschaft hat sich noch nicht erholt, aber der Trend ist positiv», sagte Wladimir Putin während seiner traditionellen Bürgersprechstunde «Direkter Draht» («Prjamaja Linija») am Donnerstag in Moskau.
Der Ölpreis-Absturz sowie westliche Sanktionen in der Ukraine-Krise setzen Russlands Wirtschaft schwer zu. Viele Russen klagen über sinkende Löhne und steigende Preise, sie sorgen sich um ihre Jobs.
In diesem Jahr erwarte die Regierung noch einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent, für 2017 rechne sie mit einem Wachstum von 1,4 Prozent, sagte Putin. Er räumte ein, dass sich die Struktur der oft noch sowjetisch geprägten russischen Wirtschaft ändern müsse. Viel zu oft würden Mittel verschwendet. Kritiker bemängeln zudem ein hohes Mass an Korruption im Riesenreich.
Rat vom liberalen Ex-Finanzminister
Bei der Suche nach Wegen aus der Krise solle Finanzexperte Alexej Kudrin künftig aktiver im Expertenrat des Präsidenten mitarbeiten, sagte Putin. Und: «Kudrin ist einer der seltenen nützlichen Experten.»
Der frühere russische Finanzminister gilt als liberaler Kritiker und als einer der profiliertesten Ökonomen Russlands. Zuletzt war der 55-Jährige auch für einen Posten im Moskauer Forschungsinstitut CSR im Gespräch, das unter anderem strategische Studien für die Behörden erstellt. Kudrin schliesst eine Beteiligung nicht aus.
Beobachter handeln den langjährigen Minister (2000 bis 2011) auch als möglichen Kandidaten für höhere politische Ämter.
Bürger aus allen Teilen Russlands hatten für die fast vierstündige Fernsehshow mehr als drei Millionen Fragen eingereicht. Bei Live-Schaltungen in die Provinz äusserten viele ihre Sorgen angesichts der prekären Wirtschaftslage, aber auch zu internationalen Krisen.
Scharfe Kritik an der Türkei
Mit scharfen Worten ging Putin die türkische Regierung an. Ankara führe im Süden des Landes «praktisch einen Bürgerkrieg» mit Panzern und Artillerie gegen die Kurden, meinte er.
Die Beziehungen zwischen Moskau und Ankara sind seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch das türkische Militär im November auf einem Tiefpunkt. Daraufhin hatte Russland Flüge in die Türkei eingestellt.
Im syrischen Bürgerkrieg forderte der Putin Regierung und Opposition auf, sich stärker für eine politische Lösung einzusetzen. Auch im Südkaukasus-Konflikt um die Region Berg-Karabach mahnte er die Konfliktparteien Armenien und Aserbaidschan zur Besonnenheit.
Lüge im Zusammenhang mit «Panama Papers»
Zwar blieb Putin mit Kritik am Westen – anders als in früheren Jahren – zurückhaltend. Aber in Bezug auf Vorwürfe im Zusammenhang mit den «Panama Papers» über Hunderttausende Offshore-Firmen sprach er von einer westlichen Provokation.
«Wir wissen, dass Mitarbeiter der amerikanischen Institutionen damit zu tun haben», sagte Putin. Vor den russischen Parlamentswahlen im September sei mit einer Zunahme solcher «Schmutzkampagnen» zu rechnen. «Die ‚Süddeutsche Zeitung‘ ist eine Medien-Holding, die dem US-Finanzunternehmen Goldman Sachs gehört», sagte Putin.
Der Geschäftsführer der «Süddeutschen Zeitung», Stefan Hilscher, stellte dagegen klar: «Die ‚Süddeutsche Zeitung‘ gehört weder direkt noch indirekt zu Goldman Sachs.» Die Zeitung sei eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Süddeutschen Verlages. Dieser wiederum gehöre zu 81,25 Prozent der Südwestdeutschen Medienholding und zu 18,75 Prozent der Münchner Verlegerfamilie Friedmann.
In den unter anderem von der «Süddeutschen Zeitung» ausgewerteten und veröffentlichten Dokumenten taucht zwar Putins Name nicht auf, aber Putin-Freunde werden genannt, die mit Offshore-Firmen in Verbindung gebracht werden.