Vor dem G20-Gipfel in St. Petersburg hat Russland den Ton im Streit mit den USA über die Syrien-Krise verschärft. Präsident Wladimir Putin warf US-Aussenminister John Kerry vor, den Kongress in Washington über die Rolle der Al-Kaida im Bürgerkrieg belogen zu haben.
«Er lügt, und er weiss, dass er lügt», sagte Putin am Mittwoch in Moskau. «Es ist traurig.» Putin verwies auf Kerrys Aussage zur Rolle der Al-Kaida im Aufstand gegen Präsident Baschar al-Assad. Der Minister habe auf Anfrage eines Abgeordneten erklärt, die Al-Kaida sei nicht beteiligt. «Sie lügen natürlich wunderschön», sagte Putin.
Die Kämpfer der Al-Kaida seien militärisch gesehen die wichtigste Säule des Aufstandes. Das wüssten auch die Amerikaner. Kerry war von einem Senator gefragt worden, ob es «im Wesentlichen wahr» sei, dass die syrische Opposition im Laufe der Zeit von der Al-Kaida unterwandert worden sei. «Nein, das ist eigentlich im Wesentlichen nicht wahr. Es ist im Wesentlichen falsch», antwortete er.
Zuvor hatte Putin in einem Interview erklärt, Russland könne einem militärischen Einsatz mit UNO-Mandat zustimmen, sollten Beweise für einen Giftgas-Angriff der syrischen Regierung vorliegen. Russland hat im UNO-Sicherheitsrat ein Veto-Recht und schützt damit seine Verbündeten in Damaskus vor Resolutionen.
Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel
US-Präsident Barack Obama warb vor dem G20-Gipfel mit einem flammenden Appell an die internationale Gemeinschaft um Unterstützung für einen Militärschlag in Syrien. «Meine Glaubwürdigkeit steht nicht auf dem Spiel, sondern die der Weltgemeinschaft», sagte Obama am Mittwoch bei einer Pressekonferenz mit Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt in Stockholm.
Seinen russischen Amtskollegen Putin rief er auf, in der Syrien-Frage umzudenken. «Das internationale Handeln wäre sehr viel effizienter, wenn Russland das Thema anders angehen würde», sagte Obama bei seinem etwa 24-stündigen Schweden-Besuch.
«Wir sind sehr davon überzeugt, dass Chemiewaffen angewandt wurden und dass Herr Assad die Quelle dafür ist», sagte Obama. Das zwinge die Weltgemeinschaft zum Handeln.
Kein Parlamentsvotum in Paris
Frankreichs Ministerpräsident Jean-Marc Ayrault sagte vor dem Parlament in Paris, es gehe um die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft bei der Frage der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Die Botschaft an Staaten wie Iran und Nordkorea wäre ohne einen Angriff klar: «Ihr könnt weitermachen.»
Ayrault sicherte den Abgeordneten zu, dass sie weiterhin über die Entwicklung der Lage zu Syrien informiert würden. Auf ein mögliches Parlamentsvotum, wie dies in Grossbritannien bereits der Fall war und in den USA noch erfolgen soll, ging er nicht ein.
Stromausfall und Streubomben
Wegen eines Anschlags waren weite Teile Syriens am Mittwoch nach Angaben der Regierung ohne Strom gewesen. «Eine terroristische Attacke» gegen eine Hochspannungsleitung im Zentrum des Landes habe einen Stromausfall in den meisten Provinzen verursacht.
Auch in der Hauptstadt Damaskus und ihrer Umgebung brach die Stromversorgung am Mittwochmorgen zusammen, wie Einwohner der Nachrichtenagentur AFP sagten.
Rund 350 Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt warfen derweil der syrischen Regierung den Einsatz von Streubomben in grossem Ausmass vor. Mindestens vier Mal seit Mitte 2012 habe das syrische Militär diese Munitionsart eingesetzt.
Das letzte Mal geschah dies im vergangenen März, wie aus dem in Genf veröffentlichten Bericht der Koalition über Streumunition hervorgeht. Der Koalition gehören 350 NGO aus 90 Ländern an.