Hacker-Attacke, die starke Hand Chinas oder nur Propaganda? Nordkorea war in der Nacht auf heute während Stunden ohne Internetverbindung. Über die Gründe wird weltweit spekuliert.
Die Internet-Verbindungen zwischen Nordkorea und dem Rest der Welt sind am Montag völlig zusammengebrochen. Die Internet-Verbindungen hätten über Stunden hinweg nicht funktioniert, teilte das auf Internetsicherheit spezialisierte US-Unternehmen Dyn Research mit.
Erst nach neuneinhalb Stunden sei die Verbindung am Dienstag wiederhergestellt worden, teilte Dyn Research mit. Laut dem Vize-Chef des Unternehmens, Earl Zmijewski, begannen die Störungen bereits am Wochenende. Den Experten zufolge ist Nordkoreas Internet durchaus anfällig für Pannen – doch könnte die Art des Zusammenbruchs auf einen «Angriff von aussen» hindeuten.
Auch die südkoreanische Regierung teilte mit, das Internet im weitgehend isolierten Nachbarland sei stundenlang unterbrochen gewesen. Es habe aber keine Probleme mit nordkoreanischen Propaganda-Websites wie Uriminzokkiri oder Naenara gegeben, die über Server im Ausland erreichbar sind.
Obama droht mit Vergeltung
Die US-Regierung hatte Nordkorea für einen Hacker-Angriff auf das Unternehmen Sony Pictures verantwortlich gemacht und am Montag vorgeschlagen, Nordkorea solle dafür Entschädigung zahlen. «Wenn sie hier behilflich sein wollen, dann sollten sie ihre Schuld eingestehen und Sony entschädigen», sagte die Sprecherin des US-Aussenministeriums, Marie Harf, in Washington.
US-Präsident Barack Obama hatte am Sonntag dem Nachrichtensender CNN gesagt, Nordkorea solle wegen der Hacker-Attacke auf Sony möglicherweise nach sechs Jahren wieder auf die Liste der Staaten gesetzt werden, die den Terror unterstützten.
Die US-Regierung prüft nach Angaben von Harf eine Reihe von Optionen, um gegen die Internet-Attacke auf Sony Pictures vorzugehen. Sie äusserte sich aber nicht dazu, ob die USA für den Ausfall des nordkoreanischen Netzes verantwortlich seien.
Einem Bericht des US-Senders NBC zufolge bestritt ein amerikanischer Regierungsvertreter entschieden, dass die Vereinigten Staaten etwas mit dem Ausfall zu tun hätten.
Ursache ungewiss
Nach den Worten des Vize-Chefs von Dyn Research gibt es keine eindeutige Ursache für den Ausfall: «Sie können beschlossen haben, die Verbindung einfach zu kappen, sie können aber ebenso einer Panne oder einem Angriff zum Opfer gefallen sein», sagte Zmijewski. Sein Internetexperte Doug Madory sagte, er würde sich «nicht wundern, wenn sie gerade eine Attacke abkriegen».
«Es gibt normalerweise vereinzelte Ausfälle, aber keine länger andauernden Verbindungsprobleme», sagte Madory, dem US-Nachrichtensender CNN. Es sei, «als wenn Nordkorea von der globalen Landkarte des Internets ausradiert wurde», wurde Matthew Prince, Chef der Sicherheitsfirma CloudFlare, zitiert.
Ein Angriff anonymer Hacker und mysteriöse Anschlagsdrohungen auf US-Kinos hatten Sony bewogen, den für kommenden Donnerstag geplanten Filmstart von «The Interview» abzusagen. Dem Konzern entstand dadurch nach Expertenschätzung ein Schaden von einer halben Milliarde Dollar. Nach Erkenntnissen des FBI steht die Regierung in Pjöngjang hinter dem Angriff. Nordkorea bestreitet jede Verantwortung.
Alles läuft über China
Im Zentrum der Affäre steht eine Gruppe mit dem Namen Guardians of Peace (GOP), die Ende November einen Cyberangriff auf Sony gestartet und interne Dokumente und E-Mails veröffentlicht hatte. Vor einigen Tagen sprach die Gruppe wegen der Parodie «The Interview», in der es um ein angebliches Mordkomplott gegen Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un geht, ominöse Drohungen aus und erinnerte an die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA. Daraufhin entschieden mehrere Kinoketten, den Film aus dem Programm zu nehmen.
Nordkorea hat nur begrenzten Zugang zum Worldwide Web. Laut Zmijewski läuft die gesamte Telekommunikation über China Netcom, einer Tochter von China Unicom. «Als Nordkoreas einziger Internetprovider wäre es für China Unicom ein Leichtes, den Zugang zu blockieren», sagte Zmijewski.
Washington hatte China um Mithilfe gebeten, um die nordkoreanischen Hacker-Aktivitäten zu stoppen. Beide Länder stehen aber selbst im Streit um Hacker-Angriffe auf US-Unternehmen.
Der Grossteil der Bevölkerung in Nordkorea hat keinen Internetzugang. Es gibt dort aber auf das Land beschränktes, nicht öffentliches Intranet. Nach Angaben nordkoreanischer Flüchtlinge kann das Intranet nur von Regierungsbeamten, dem Militär und Universitäten genutzt werden.