Die Besetzung des Labitzke-Areals in Zürich-Alstetten ist beendet. Die Stadtpolizei das Gelände der ehemaligen Farbenfabrik geräumt. Einige Besetzer hielten sich noch auf dem weitläufigen Gelände auf. Sie leisteten nur passiven Widerstand. Dreizehn Personen wurden verhaftet.
Ausserdem wurden sechs Sympathisanten vorläufig festgenommen. Sie hatten auf der Hohlstrasse vor dem Eingang zum Gelände protestiert. Ihnen wird Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration vorgeworfen.
Die Polizei war mit einem Grossaufgebot im Einsatz, ein Wasserwerfer stand bereit, mehrere Einsatzfahrzeuge von Schutz & Rettung blockierten die Strasse. Auf einem Turm hatten sich fünf Besetzer verschanzt. Sie zündeten vereinzelte Rauchpetarden, warfen mit Farbe gefüllte Ballone und Konfetti und schüttelten Federn aus einem Duvet.
Feuerwehr und Polizei holten jeden der Aktivisten einzeln mit einem so genannten Hubretter – einer Drehleiter mit einem Korb – herunter. Die Besetzer leisteten keinen Widerstand und kletterten freiwillig in den Rettungskorb.
Zuvor hatten die Einsatzkräfte schon einen anderen Besetzer vom Dach eines kleineren Gebäudes geholt. Auch er liess sich einfach abführen.
Professionelle Arbeit und keine unnötige Provokation
Weil das Gelände weitläufig und unübersichtlich ist, war lange Zeit unklar, ob sich noch weitere Personen in der ehemaligen Farbenfabrik aufhielten. Noch während die Einsatzkräfte Gebäude für Gebäude durchkämmten begannen Arbeiter damit, das Gelände aufzuräumen. Mit Baggern und von Hand füllten sie grosse Mulden mit Schutt, Holz, Möbeln, Pflanzen und alten Fahrrädern.
Schliesslich durften auch die zahlreichen Journalisten – in Begleitung der Polizei – das Gelände betreten und einen Blick in die mit Graffiti besprühten Gebäude werfen. Einige waren bereits unbewohnbar gemacht worden. In einem offensichtlich als Küche und Esszimmer genutzten Raum zeugten eine Schüssel mit Obstsalat, frisches Brot, Sojajoghurt und Bierdosen von der letzten Mahlzeit der Besetzer.
Kurz nach 13.30 Uhr beendete die Polizei ihren Einsatz und wenig später war auch die Hohlstrasse wieder befahrbar. Dass der Einsatz so friedlich ablief, sei zum einen der sehr professionellen Arbeit der Stadtpolizei und von Schutz & Rettung zu verdanken, sagte Polizeivorstand Richard Wolff (AL). Die Besetzer hätten aber auch nicht unnötig provoziert.
Jahrelange Auseinandersetzung
Die Räumung des seit fast drei Jahren besetzten Areals der ehemaligen Farbenfabrik Labitzke war seit Tagen erwartet worden. Am Dienstag hatten die Besetzer an der Hohlstrasse eine Strassenblockade errichtet. Sie wehrten sich damit gegen die drohende Räumung.
Die Mobimo AG will hier acht Häuser mit 245 Wohnungen sowie Raum für Gewerbe, Läden und Cafés erstellen. Die Baubewilligung wurde laut Firmensprecherin Christine Hug am 2. Juni beantragt. Entschieden sei sie allerdings noch nicht: Wegen der Besetzung haben man das Baugespann nicht aufstellen können. Nächste Woche werde es stehen.
Die nicht mehr besetzten Gebäude waren schon vor der Räumung abgerissen worden. Der Abbruch hatte bereits im Januar begonnen, als die Mobimo AG über eine entsprechende Bewilligung verfügte, wie Hug gegenüber der Nachrichtenagentur sda sagte.
Die Stadt hatte damals Verständnis für das Anliegen des Unternehmens gezeigt und gestattet, die mit Altlasten kontaminierten Böden und Bauten schon abzutragen, bevor eine Baubewilligung vorlag. Diese Arbeit kann nun vollendet werden.
«Lebendiger Mikrokosmos geopfert»
Um das Labitzke-Areal ist seit langem eine Auseinandersetzung im Gange. Bewohnt wurde es seit Jahren von Mietern und von Besetzern. Die Bewohner wehrten sich gegen den Auszug. In der langen Zeit habe sich «ein einmalig lebendiger Mikrokosmos gebildet, der nun der Immobilienblase geopfert werden» solle, machten sie geltend. Damit gehe ein weiterer Freiraum in der Stadt verloren.
Die Mieter erhielten von der Mobimo zweimal eine Mieterstreckung. Nachdem sie beim Zürcher Obergericht mit ihrer Beschwerde gegen die Kündigung erfolglos geblieben waren, zogen sie Anfang August schliesslich aus. Die Besetzer blieben, bis nun am Donnerstag geräumt wurde.