Ein Raubkunst-Bild aus der umstrittenen Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt ist wieder beim rechtmässigen Besitzer. Der Vertreter der Familie Rosenberg, Christopher Marinello, nahm das Gemälde «Sitzende Frau» von Henri Matisse in der Nähe von München entgegen.
«Das ist ein sehr glücklicher Tag», sagte der Anwalt der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bei der Übergabe in der Nähe von München. «Meine Mandanten sind sehr froh und dankbar.» Wo das Bild in Zukunft hängen soll, teilte Marinello nicht mit.
«Es ist in einem guten Zustand», sagte er. Bevor es an die Familie zurückgehe, werde es gründlich gereinigt und restauriert. Seit Henri Matisse habe niemand mehr Hand an das Gemälde angelegt.
Die Familie hatte für die Rückgabe des Ölgemäldes gekämpft, das jahrzehntelang verschollen war. Mit Hunderten anderen Kunstwerken wurde es 2012 in Gurlitts Wohnung in München-Schwabing gefunden und von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Immer wieder verzögerte sich die Rückgabe. «Die vergangenen 18 Monate waren eine Achterbahnfahrt», sagte Marinello. «Wir hatten nicht erwartet, dass es so lange dauert.»
Das Bild war dem jüdischen Kunsthändler Paul Rosenberg von den Nationalsozialisten geraubt worden, wie die mit der Herkunftsforschung beauftragte Taskforce «Schwabinger Kunstfund» bestätigte. Insgesamt verlor Rosenberg nach Angaben Marinellos rund 400 Kunstwerke – 60 davon fehlen noch immer.
Wie am Freitag bekannt wurde, ist am Mittwoch bereits ein anderes Bild der umstrittenen Kunstsammlung an die rechtmässigen Besitzer zurückgegeben worden. Es handelt sich um das Bild «Zwei Reiter am Strand» von Max Liebermann. Die Erben hätten es bereits am Mittwoch in Empfang genommen, bestätigte Gurlitts Nachlassverwalter, der Rechtsanwalt Stephan Brock, am Freitag der dpa in München. Details gab er nicht bekannt.
Familie hofft auf Signalwirkung
Die Familie Rosenberg hofft auf eine positive Signalwirkung ihres Falles für die Kunstwelt und den Umgang mit Kunstwerken, die von den Nationalsozialisten geraubt wurden. «Ich denke, es muss eine Balance geben zwischen der Bürokratie und den Ansprüchen der rechtmässigen Besitzer», sagte Marinello. «Wir haben es hier mit Menschen zu tun, und zwar mit Menschen, von denen einige schon sehr alt sind.»
Cornelius Gurlitt, Sohn von Hildebrand Gurlitt, einem der vier Kunsthändler Adolf Hitlers, stand mit seiner Sammlung monatelang im Zentrum einer Debatte um Nazi-Raubkunst. Er starb am 6. Mai 2014 in München.
Laut einer Vereinbarung zwischen Deutschland und dem Kunstmuseum Bern liegt der Teil der Sammlung, der unter Raubkunst-Verdacht steht, in der Verantwortung des Bundes. Gurlitt hatte das Kunstmuseum Bern als Erben eingesetzt. Ob das Erbe tatsächlich an das Kunstmuseum geht, ist noch nicht endgültig entschieden. Ansprüche hat auch eine Cousine erhoben, die derzeit noch um einen Erbschein streitet.