Journalisten haben die von Hervé Falciani entwendeten Kundendaten des Schweizer Ablegers der Privatbank HSBC ausgewertet. Deren Kunden sollen nicht nur Steuern hinterzogen haben, sondern auch in Terrorfinanzierung sowie Waffen- und Drogenhandel verstrickt gewesen sein.
HSBC habe unter anderem von «Geschäften mit Waffenhändlern profitiert», die Mörserbomben an Kindersoldaten in Afrika geschickt hätten, erklärte das Journalistennetzwerk. Andere kriminelle Partner seien «Schmuggler von Blutdiamanten» gewesen.
Zudem sind den Enthüllungen zufolge auch eine Reihe von amtierenden und früheren Politikern aus Grossbritannien, Russland, Indien und afrikanischen Ländern sowie von Königshäusern arabischer Staaten in die dubiosen Geschäfte involviert. Darunter sollen etwa Verwandte und Regierungsmitglieder von Autokraten wie Ägyptens Ex-Herrscher Hosni Mubarak und Syriens Präsident Baschar al-Assad sein.
Weltweite Recherche lanciert
Die Informationen über die problematischen Kunden befanden sich in den Kundendaten, welche der bei HSBC in Genf angestellte Informatiker Hervé Falciani 2007 der Bank gestohlen hatte. Falciani übergab die Daten den französischen Steuerbehörden und von da gelangten sie zur französischen Zeitung «Le Monde».
Die Zeitung lancierte mit Hilfe des Recherchenetzwerks Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) eine weltweite Recherche. Zum Netzwerk gehören 140 Journalisten aus 40 Ländern, welche die Resultate nun publizierten. An der Recherche beteiligt waren auch die Schweizer Zeitungen «Tages-Anzeiger», «Der Bund», «SonntagsZeitung», «Le Matin Dimanche», «L’Hebdo» und «Le Temps».
In den Daten sind den neuen Berichten zufolge Konten von mehr als 106’000 Personen aus mehr als 200 Ländern und Territorien zu finden, mit Einlagen von insgesamt über 100 Milliarden Dollar im Jahr 2007.
Die Kundendossiers hätten bestätigt, dass die HSBC 2007 aktiv bei der Hinterziehung von Steuern half, wie andere Banken damals auch, meldete etwa der «Tages-Anzeiger». Die weltweiten Steuerermittlungen haben laut den Berichten insgesamt mehr als eine Milliarde Euro an Nachzahlungen und Strafgeldern eingebracht.
HSBC anerkennt Verantwortung
In einer online verbreiteten Stellungnahme, die der Nachrichtenagentur sda vorliegt, schreibt HSBC Schweiz, dass einige Kunden das Bankgeheimnis für undeklarierte Konten ausgenutzt hätten und ihren Steuerverpflichtungen nicht nachgekommen seien. HSBC Schweiz sei verantwortlich für die fehlende Kontrolle dieser Kunden.
HSBC erklärte, die Schweizer Tochter sei nach der Übernahme 1999 nicht vollständig integriert gewesen, was unterschiedlich hohe Standards innerhalb des Konzerns ermöglicht habe. In den letzten Jahren habe die Bank in der Schweiz aber eine «radikale Transformation» vollzogen. Konten von Kunden «die nicht den hohen Standards entsprachen», seien geschlossen worden.
Die Bank wies aber daraufhin, dass es sich bei der Datengrundlage um gestohlenes Kundendaten handle. Es gebe auch Hinweise, dass diese manipuliert worden sein könnten.
Finma intervenierte
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hatte sich in den vergangenen Jahren bereits mehrmals mit dem Schweizer Ableger der HSBC befasst: Sie führte zwei Untersuchungen im Bereich Geldwäscherei sowie zur IT-Sicherheit durch.
Die Bank habe dabei gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen verstossen, sagte Tobias Lux, Mediensprecher der Finma, auf Anfrage. Die Finma habe Massnahmen angeordnet, welche HSBC umgesetzt habe. Seither sei bei der Bank viel geschehen.
Auch die Schweizer Bankiervereinigung weist darauf hin, dass sich die Enthüllungen auf «weit zurückliegende Fälle» beziehen würden. Trotzdem seien solche Schlagzeilen «kurzfristig natürlich nie positiv» für den Schweizer Finanzplatz. Nun liege es an den Behörden, die Fälle zu beurteilen.
Auch Politiker forderten Untersuchungen: Die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens sei «das Mindeste», sagte Alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey im Radiosender RTS. SP-Nationalrat Roger Nordmann verlangte ebenfalls ein Einschreiten der Ermittlungsbehörden.
–
Detaillierte Informationen zum Fall HSBC finden sich bei Swissleaks.