Der Ständerat will Positionslimiten für Warenderivate einführen. Das hat er am Dienstag bei der Debatte über das Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) beschlossen. Ziel ist es, die Schweizer Regeln an internationale Standards anzupassen.
In den USA sind Obergrenzen für Warenderivate, die ein einzelner Marktakteur halten darf, im Grundsatz bereits beschlossen. Die EU führt Positionslimiten im Rahmen der Finanzmarktrichtlinie Mifid II ein, in Kraft treten sollen diese Mitte 2017. Weil sie gleichwertige Regulierungen zur Bedingung für den Marktzugang macht, ist die Gesetzesänderung für die Schweizer Finanzdienstleister und andere betroffene Branchen von grossem Interesse.
Risiken der Spekulation
Positionslimiten sollen den Einfluss einzelner Marktakteure begrenzen. Denn Warenderivate dienen nicht nur der Risikoabsicherung, sondern auch der Spekulation. Rein virtuelle Derivate, bei welchen es sich im Grunde um Wetten auf steigende oder fallende Preise handelt, können die Stabilität der Finanzmärkte gefährden.
Grund dafür sind nicht zuletzt die riesigen Handelsvolumen, die die Menge tatsächlich gehandelter Waren bei weitem übersteigen. Zudem stehen solche Derivate im Verdacht, die Nahrungsmittelpreise in die Höhe zu treiben. Der Zusammenhang ist jedoch umstritten, das Thema spielte bei den Regulierungen in den USA und in der EU nur eine untergeordnete Rolle.
Kein Gegenvorschlag zur Spekulationsstopp-Initiative
Im Ständerat jedoch äusserten die Gegner von Positionslimiten den Verdacht, es handle sich um einen indirekten Gegenvorschlag zur Juso-Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation. Zwar gehe es nicht um ein gänzliches Verbot sagte Karin Keller-Sutter (FDP/SG). «Aber es ist ein grosses Entgegenkommen». Nicht gross genug für die Juso: Auf Anfrage betonte Parteipräsident Fabian Molina, ein Rückzug der Initiative komme im Moment nicht in Frage.
Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf bestritt in der Ratsdebatte jeglichen Zusammenhang mit der Initiative. Vielmehr drohe die Schweiz unter Druck zu kommen, sobald die Regeln in der EU in Kraft seien. Zudem könnte sie zum Umschlagplatz für Derivate werden, die anderswo nicht mehr gehandelt werden dürften.
Noch kein Entscheid für Limiten
Auf Vorschlag seiner vorberatenden Kommission beschloss der Ständerat lediglich eine Kompetenzdelegation an den Bundesrat. «Es werden keine Positionslimiten eingeführt, der Bundesrat hat aber die Möglichkeit dazu», betonte Kommissionssprecher Roberto Zanetti (SP/SO).
Voraussetzung ist, dass zwischen Derivatmarkt und Basismarkt ein gefährliches Ungleichgewicht besteht. Zudem müsste der Bundesrat bei der Regulierung internationale Standards berücksichtigen. Dies erlaubt es der Schweiz, rasch auf internationale Entwicklungen zu reagieren, ohne vorpreschen zu müssen oder hinter dem Ausland zurückzubleiben.
Hannes Germann (SVP/SH) sprach zwar von «vorauseilendem Gehorsam». Kritisiert wurde auch, dass zu den Positionslimiten keine Vernehmlassung durchgeführt wurde. Stefan Engler (CVP/GR) erinnerte jedoch daran, dass die Branche signalisiert habe, dass sie eine entsprechende Regulierung wünsche.
Und Widmer-Schlumpf versprach, die Anhörung nachzuholen, wenn Positionslimiten dereinst tatsächlich eingeführt würden. Die rasche internationale Entwicklung habe kein anderes Vorgehen erlaubt.
Gleichschritt mit dem Ausland
Nun muss sich der Nationalrat noch einmal mit den Positionslimiten befassen. Den Rest der umfassenden FinfraG-Vorlage haben die beiden Räte weitgehend unverändert gutgeheissen. Die Regulierung ist eine Folge der Finanzkrise. Diese hatte gezeigt, dass nicht nur Banken, sondern auch Börsen die Stabilität der Finanzsysteme gefährden könnten – und die Märkte für ausserbörslich (OTC) gehandelte Derivate.
In der Folge beschlossen die G-20-Staaten Pflichten für den Derivatehandel: Die Pflicht, standardisierte OTC-Derivatekontrakte über zentrale Gegenparteien abzurechnen (Abrechungspflicht), die Pflicht, sämtliche OTC-Derivatetransaktionen an Transaktionsregister zu melden (Meldepflicht), die Pflicht, standardisierte Derivate über Börsen oder andere elektronische Plattformen zu handeln (Plattformhandelspflicht) sowie die Pflicht zu höheren Kapitalhinterlegungen (Risikominderungspflicht).
Um den Schweizer Finanzdienstleistern den Zugang zum europäischen Markt zu sichern, sollen diese Pflichten künftig auch in der Schweiz gelten. «Die Vorlage will nichts anderes, als unsere Regeln den internationalen Vorgaben anzupassen», fasste Widmer-Schlumpf den Zweck der ganzen Übung zusammen.
Zudem werden im FinfraG die heute auf verschiedene Gesetze verstreuten Bestimmungen über Organisation und Betrieb von Finanzmarktinfrastrukturen wie Börsen und andere Handelssysteme zusammengefasst. Die Regeln für die Börsen entsprechen dabei weitgehend den bestehenden im Börsengesetz.
Ausnahme für nicht spekulative Derivate
Die Frage der Positionslimiten ist nicht die einzige Differenz zwischen den Räten. Im Gegensatz zum Nationalrat will der Ständerat auch Geschäfte zwischen nichtfinanziellen Gegenparteien der Meldepflicht zu unterstellen.
Für Derivate von Rohstoffen, die tatsächlich und nicht nur virtuell gehandelt werden, hat der Nationalrat eine Ausnahme beschlossen. Zudem sollen ausländische Behörden Zugang zum Transaktionsregister erhalten, auch wenn es sich um eine Datenweitergabe für Steuerzwecke handelt. Eine weitere Differenz betrifft die Insolvenz-Regeln. Zudem hat der Nationalrat die Strafen für die fahrlässige Verletzung von Meldepflichten drastisch herabgesetzt, der Ständerat will sie ganz streichen.
Wie der Nationalrat lehnte die kleine Kammer auch besondere Vorkehrungen gegen die negativen Auswirkungen des Hochfrequenzhandels ab. Nach Ansicht der Mehrheit ist diese Vorschrift bereits enthalten in der Pflicht, Störungen des Handelssystems zu vermeiden. Die Vorlage geht nun wieder an den Nationalrat.