Nach der Parlamentswahl in Mazedonien ist kein schnelles Ende der politischen Krise in Sicht.
Die rechtskonservative Regierungspartei VMRO-DPMNE von Ex-Regierungschef Nikola Gruevski lag nach Auszählung fast aller Stimmen mit rund 37,5 Prozent in Führung. Dicht dahinter folgten die Sozialdemokraten mit rund 36 Prozent. Welche Partei die meisten Parlamentssitze holen wird, war angesichts des knappen Ergebnisses am Montagmorgen aber völlig unklar.
Trotzdem beanspruchten beide Parteien den Wahlsieg für sich. «Die VMRO-DPMNE ist der Sieger dieser Wahl», sagte Gruevski vor Anhängern in der Parteizentrale in Skopje. «Wir sind die Sieger», rief auch Oppositionsführer Zoran Zaev seinen jubelnden Anhängern zu, die vor dem Regierungssitz in Skopje schon in der Nacht den Wahlsieg der sozialdemokratischen SDSM feierten.
Wie die Wahlkommission nach Auszählung der Stimmen aus über 96 Prozent der Wahllokale mitteilte, kommt die VMRO-DPMNE zwar auf einen hauchdünnen Vorsprung von knapp 1,5 Prozentpunkten. Damit ist aber noch völlig unklar, welche Partei die meisten Parlamentssitze holen wird. Beide Parteien könnten nach Einschätzungen von Experten letztlich auf 51 oder 52 Mandate kommen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 66 Prozent – mehr als bei früheren Wahlen in Mazedonien.
Abgehörte Telefonate veröffentlicht
Der Abstimmung am Sonntag war eine fast zweijährige politische Krise vorausgegangen. Die vier grossen Parteien hatten sich erst nach langem Tauziehen unter Vermittlung der EU auf den Wahltermin am Sonntag geeinigt. Ursprünglich hatte die vorgezogene Neuwahl bereits im April stattfinden sollen.
Der arme Balkanstaat steckt in der Krise, seitdem SDSM-Chef Zaev im Februar 2015 begann, abgehörte Telefonate zu veröffentlichen. Diese deuten darauf hin, dass Gruevskis Regierung grossflächig Politiker, Journalisten und normale Bürger abgehört hatte sowie Korruption im grossen Stil an der Tagesordnung war.
Amt niedergelegt
Aus Protest gingen zehntausende Menschen auf die Strasse und forderten Gruevskis Rücktritt. Dieser legte schliesslich nach fast zehn Jahren an der Macht im Januar sein Amt nieder und machte damit den Weg für Neuwahlen in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik frei.
Im Wahlkampf hatte die Regierungspartei die Vorwürfe der Sozialdemokraten zurückgewiesen und Zaev beschuldigt, mit ausländischer Unterstützung einen Staatsstreich zu planen. Den albanischen Parteien, die teils zur SDSM, teils zur VMRO-DPMNE tendieren, dürfte nun die Rolle von Juniorpartnern in einer künftigen Koalition zukommen. Ein Viertel der zwei Millionen Mazedonier sind albanischstämmig.
Streit mit Athen
Das Durchschnittseinkommen in Mazedonien liegt bei 360 Euro im Monat, die Arbeitslosenrate beträgt offiziellen Angaben zufolge fast 24 Prozent. Seit Jahren gibt es in Skopje Bestrebungen, Mitglied der EU und der Nato zu werden. Diese stossen jedoch im Nachbarland Griechenland auf Widerstand.
Athen argumentiert, der Name Mazedonien sei Teil des griechischen Nationalerbes und suggeriere einen Anspruch auf die nordgriechische Provinz gleichen Namens. Skopje wiederum lehnt mit Verweis auf seine Identität und Sprache eine Änderung seines Namens strikt ab.