Energie- und Familieninitiative fahren eine herbe Niederlage ein. Die Wohn-Initiative der SP scheitert in Basel-Stadt ebenfalls deutlich. Der Abstimmungssonntag im Überblick.
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– Eine Schlappe für die Linke (Kommentar zu «Wohnen für Alle»)
– Zwei Initiativen, für die Sie auch zuhause hätten bleiben können (Kommentar zu nationalen Vorlagen)
Trotz rekordtiefer Leerstandsquote scheitert die SP-Initiative «Wohnen für alle» an der Urne. Knapp 58 Prozent aller Basler Abstimmenden lehnen die Initiative ab, die nach Zürcher Vorbild die Gründung einer vom Staat alimentierten Stiftung vorsah, die bezahlbare Wohn- und Gewerbebauten fördern sollte.
Die Basler SP beklagt sich in einer ersten Reaktion über die tiefe Stimmbeteiligung (knapp 44 Prozent) und angeblich fehlende Faktentreue der Gegner der Initiative. Die bürgerlichen Parteien wie auch die rotgrüne Regierung lehnten «Wohnen für alle» ab.
Eine zweite Niederlage steckten die Linken ein in ihrem Kampf gegen die Auslagerung Volkszahnklinik. 63,9 Prozent stimmten der Auslagerung zu.
Mehrheit für Umfahrung Allschwil
Im Nachbarkanton Baselland freuen sich die Macher der Initiative für eine Umfahrung Allschwil. Nach Auszählung aller Gemeinden befürworten 61,9 Prozent aller Abstimmenden die Initiative. Am Höchsten ist die Zustimmung im Bezirk Arlesheim (64,4 Ja), am Tiefsten im Laufental (53,8).
Mit einem wuchtigen Nein lehnt das Baselbiet dagegen die Strasseninitiative des VCS ab. 73 Prozent der Stimmbürger wollen auf eine Besserstellung von Fuss- und Veloverkehr verzichten.
Länger verschont bleiben die Landschäftler vom Plakatwildwuchs vor Wahlen und Abstimmungen. Neu dürfen die Plakate frühestens sechs Wochen vor einem Urnengang aufgehängt werden. Die Änderung war unumstritten, an der Urne sagten 88,9 Prozent dazu Ja.
Durch gekommen mit 75 Prozent Ja-Anteil ist auch die Littering-Initiative der CVP mit dem dümmlichen Namen «Vo Schönebuch bis suuber», dank der die Gemeinden ermächtigt werden, gegen Litterer Ordnungsbussen auszusprechen.
Nationale Abstimmungen
Bei den nationalen Abstimmungen entschieden die Stimmbürger zweimal deutlich Nein: Die Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» der Grünliberalen Partei (GLP) wurde mit 92 Prozent abgelehnt – ein historisches Ergebnis, das es erst 1929 einmal gab.
Die CVP-Familieninitiative musste ebenfalls eine schmerzhafte Schlappe erfahren. Die Initiative scheiterte mit 75,4 Prozent an Volk und Ständen.
Der Politologe Claude Longchamp spricht gegenüber dem «Schweizer Fernsehen» von «Initiativmüdigkeit».
Energie- statt Mehrwertsteuer
Die Initiative der Grünliberalen erlebte mit 92 Prozent Nein-Stimmen eine regelrechte Klatsche. Einen Anteil von unter 10 Prozent Zustimmung gab es erst einmal in der Geschichte.
Welche Initiativen den höchsten Nein-Stimmen-Anteil hatte, sehen Sie hier. (Bild: Screenshot/SRF)
Die Ergebnisse zeigen ein drastisches Bild. Den höchsten Nein-Stimmenanteil weist der Kanton Wallis auf mit 96 Prozent Nein-Stimmen.
Rot, rot, rot: Die Ergebnisse der nationalen Abstimmungen fielen heute sehr deutlich aus. (Bild: Screenshot/SRF)
In Basel-Stadt kann man angesichts von 86 Prozent Nein-Anteil beinahe von einer milden Niederlage sprechen. Im Baselbiet liegt der Nein-Stimmen-Anteil bei 91,5 Prozent.
Angesichts der niederschmetternden Abstimmungsschlappe zeigen sich Grünliberale enttäuscht, es stellt sich die Frage, ob die Partei dadurch an den kommenden Wahlen im Herbst an Wähleranteil einbüssen wird. Im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» erklärt Parteichef Martin Bäumle die Niederlage: «Verantwortung? Natürlich.»
CVP-Familieninitiative
Die Familieninitiative der CVP, welche die Familienzulagen von der Steuer befreien wollte, lehnen Volk und Stände ebenfalls ab. Gesamtschweizerisch sind 75,4 Prozent der Stimmbevölkerung gegen die CVP-Initiative, Basel-Stadt (75,4 Prozent Nein) und Baselland (76,1 Prozent Nein) scheren im kantonalen Vergleich nicht aus.
Auch die Familieninitiative der CVP lehnen alle Kantone ab. (Bild: Screenshot/SRF)
Presseschau und Reaktionen
Die NZZ spricht von einem «schwarzen Sonntag» für CVP und BDP. In der «Sonntagszeitung» wurde bereits vor der Bekanntgabe der Resultate von einer Verteuerung der nichterneuerbaren Energien gesprochen. Die Bundesrätinnen Doris Leuthard und Eveline Widmer-Schlumpf planen laut «Sonntagszeitung» eine höhere Lenkungsabgabe, mit der der Liter Benzin um bis zu 26 Rappen verteuert würde. Diese Verteuerung könnte trotz deutlichem Nein zur Energiesteuer-Initiative beschlossen werden, ergänzt der «Tages-Anzeiger».
Wie das deutliche Ergebnis im Zusammenhang mit der Energiewende zu bewerten ist, fragt sich die NZZ. Für FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen ist der Fall klar. Er schreibt, dass das wuchtige Nein der Stimmbevölkerung ein klares «Stopp» zur Energiewende bedeutet. Der «Tages-Anzeiger» spricht davon, dass die Energiewende zumindest «ins Stocken» gerate.
Andere Stimmen halten diese Einschätzung für falsch.
„Volk sei wegen Nein zu #viESM gegen #Energiewende“ Das ist so absurd wie zu sagen Volk sei wegen Nein zu #CVP VI gegen Familien.. #abst15
— Bastien Girod (@bastiengirod) 8. März 2015
Zur CVP-Familieninitiative schreibt die NZZ, die Mitte-Partei habe sich «verkalkuliert». Letztlich habe der Stimmbürger mit dem Taschenrechner in der Hand abgestimmt, finanziell hätte es sich wohl für die meisten nicht gelohnt. Eveline Widmer-Schlumpf bemerkte nach dem Nein zur Familieninitiative, die Diskussion sei noch nicht zu Ende. Es gelte nun Familien auf andere Art und Weise zu entlasten.
Insgesamt war es ein vergleichsweise ruhiger Abstimmungssonntag. Die Themen mochten nicht für Kontroversen sorgen, über Social Media entbrannten keine hitzigen Debatten, wie es an anderen Abstimmungstagen der Fall war.
Trotz historischen Resultaten ziemlich wenig Diskussion zu #abst15 heute auf Social Media: ≈ 1400 Tweets von 600 eindeutigen Usern #chvote
— Konrad Weber (@konradweber) 8. März 2015
Die Präsidenten der grossen Parteien zum Abstimmungsergebnis im «Schweizer Fernsehen», 8.3.2015:
Tweets über #abst15 OR #viESM OR #Familieninitiative OR #WohnenFürAlle OR #abstBS
Berichte zur Abstimmung vom 8. März 2015:
- Alles, was Sie zur Initiative «Wohnen für alle» wissen müssen
- Alles, was Sie zur Energiesteuer-Initiative wissen müssen
- Alles, was Sie zur Familien-Initiative wissen müssen
- Jagd auf ein Monster namens Wohnungsnot
- Bürgerliche bekämpfen «Wohnen für alle – und fordern weniger Steuern für Vermieter
- CVP-Initiative: «Diejenigen, die das Geld am dringendsten bräuchten, profitieren am wenigsten»
- Energiesteuer-Initiative: Jetzt und nicht am St.-Nimmerleins-Tag!
- Energiesteuer-Initiative hat den richtigen Ansatz – ist aber unsozial