Im Berufungsprozess im Fall Eternit S.p.a (Genua) hat der vorsitzende Richter die Unternehmensführung im Zusammenhang mit den Risiken von Asbest harsch kritisiert. Er zog bei seinen Ausführungen vom Montag Parallelen zu den Nationalsozialisten im Dritten Reich.
Die Schädlichkeit von Eternit sei von den Verantwortlichen mit viel Aufwand verschleiert worden, sagte Richter Alberto Oggè. Ähnlich seien die Nazis vorgegangen, als diese den Holocaust zu kaschieren versuchten. Dies habe zur Folge gehabt, dass der Mord an den Juden später nicht mehr in seiner vollen Tragweite rekonstruiert werden konnte.
Der Richter bezog sich bei seiner Äusserung auf eine Passage im erstinstanzlichen Urteil gegen die beiden Ex-Mitbesitzer des Unternehmens, der Schweizer Stephan Schmidheiny und der Belgier Jean-Louis de Cartier de Marchienne.
Darin heisst es, die Führung des italienischen Unternehmens habe in den 1970-er Jahren entschieden, die Risiken beim Umgang mit Asbest zu verharmlosen und beruhigende Informationen zu verbreiten.
Die Verteidigung von Schmidheiny kommentierte auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda den Holocaust-Vergleich des Richters nicht. Sie liess mit Verweis auf die Verfahrenstaktik auch offen, wie sie auf die Aussagen reagieren wird.
Hohe Gefängnisstrafe
Schmidheiny und de Cartier waren vor einem Jahr zu jeweils 16 Jahren Haft sowie zu Schadenersatzzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe verurteilt worden.
Das Strafgericht sah es als erwiesen an, dass die beiden ehemaligen Mitbesitzer der Eternit S.p.a. (Genua) absichtlich eine Umweltkatastrophe verursacht hätten. Ferner haben sie gemäss der Urteilsbegründung vom Mai 2012 mit Absicht Sicherheitsmassnahmen in zwei italienischen Eternit-Fabriken nicht eingehalten.
Bei zwei weiteren Eternit-Fabriken hatte das Strafgericht die Fälle als verjährt erachtet. Gegen das Urteil gingen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die beiden Verurteilten in Berufung.
Der Staatsanwalt strebt eine Verurteilung Schmidheinys und de Cartiers auch in den als verjährt beurteilten Fällen an. Er hatte in der ersten Instanz je 20 Jahre Haft verlangt. Die Verteidigung will eine Annullierung des Prozesses.