Italiens Regierung hat am Freitag offiziell das Ende des seit über einem Jahr laufenden Rettungs- und Hilfsprogramms für Flüchtlinge im Mittelmeer «Mare Nostrum» (Unser Meer) angekündigt. Italien werde jedoch weiterhin Schiffe für das Programm «Triton» entsenden.
«Triton» solle am Samstag unter dem Dach der EU-Grenzschutzagentur Frontex beginnen, kündigte Innenminister Angelino Alfano an. Hilfsorganisationen hatten Rom aufgerufen, auf den Entscheid zurückzukommen und «Mare Nostrum» vorläufig weiterzuführen.
Bei einer Medienkonferenz in Rom zog Alfano eine positive Bilanz des Einsatzes «Mare Nostrum». Nach italienischen Angaben konnten 120’000 Bootsflüchtlinge gerettet wurden. 728 mutmassliche Schlepper wurden in einem Jahr festgenommen. «Wir haben leider nicht alle Migranten retten können, die wir retten wollten», betonte Alfano.
«Triton» ist kein Ersatz
Zuvor hatte es in Brüssel geheissen, dass das Programm «Triton» nicht den Einsatz «Mare Nostrum» ersetze. Italien müsse selbst entscheiden, ob dieser Einsatz eingestellt werden soll oder nicht, betonte am Freitag Michele Cercone, Sprecher von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström.
«Triton» ändere nichts an der Pflicht der italienischen Behörden, sich für Flüchtlinge einzusetzen, sondern sei lediglich als Weg gedacht, um Italiens Einsatz im Mittelmeer zu unterstützen.
«Mare Nostrum ist eine italienische Operation, über die die italienische Regierung selbst entscheiden muss. Es handelt sich um einen exzellenten Einsatz, dank dem viele Menschenleben gerettet werden konnten», berichtete Cercone nach Angaben italienischer Medien.
Kritik von Flüchtlingsorganisationen
Flüchtlingsorganisationen kritisierten, das Frontex-Mandat betreffe nur die Grenzschutzsicherung und diene nicht dazu, Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Das Einsatzgebiet auf dem Meer für die Rettung sei zudem viel zu klein, auch reichten die finanziellen Mittel hinten und vorne nicht.
Rom hatte für «Mare Nostrum» monatlich neun Millionen Euro ausgegeben, die EU sieht für «Triton» nur gerade drei Millionen Euro vor. Während die italienische Mission bis vor die Küste Libyens reichte, von wo viele Flüchtlinge mit Booten aufbrechen, soll «Triton» sich nur auf die unmittelbare Küstennähe konzentrieren. Die Schiffe werden im Mittelmeer vor Sizilien und Kalabrien in einem Radius von 30 Seemeilen vor der Küste patrouillieren.
Zahl der Opfer wird steigen
Organisationen der Zivilgesellschaft – darunter Amnesty International und «Ärzte ohne Grenzen» – befürchten, dass wegen des beschränkteren Einsatzes die Zahl der im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge wieder steigen könnte. Auch der Umstand, dass eine zum Schutz der Grenzen gegründete Organisation nun Menschenleben retten soll, stösst auf Kritik.
«Die tragischen Schiffsunglücke, die seit Jahresbeginn mehr als 3000 Todesopfer verursacht haben, bezeugen, dass die Rettungsaktionen fortgesetzt und auf den ganzen Mittelmeerraum ausgedehnt werden müssen», so die Hilfsorganisationen an die Regierung in Rom.
Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) erklärte, dass die europäischen Länder ihre Anstrengungen verstärken müssten, um glaubwürdige und legale Alternativen zu den gefährlichen Reisen über das Mittelmeer anzubieten. Es müssten sicherere Wege für Menschen aus Krisengebiete geben, um sich in Europa in Sicherheit bringen zu können, schrieb das UNHCR zum Ende von «Mare Nostrum» weiter.
Italien, Spanien und Griechenland sind von der Flüchtlingsfrage am meisten betroffen. Allerdings streiten die EU-Mitgliedstaaten über die Verteilung der aus Krisengebieten nach Europa kommenden Flüchtlinge.
AI und die übrigen Hilfsorganisationen appellierten deshalb an diese Ländern, ihren Beitrag zu leisten und forderten, bis zur Einführung einer von allen europäischen Staaten getragenen wirksamen Alternativen eine Fortsetzung der italienischen Seenotrettungsoperation «Mare Nostrum».
Kleiner Schweizer Beitrag
Als Schengen-Mitglied nimmt auch die Schweiz in beschränktem Masse an «Triton» teil. Laut Attila Lardori, Mediensprecher bei der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV), entsendet die Schweiz eine Grenzwächterin nach Italien. Diese werde so genannte «Debriefings» durchführen, sagte Lardori.