Vor der tödlichen Frontalkollision zweier Züge im Kanton Waadt hat ein Lokführer möglicherweise ein Rotlicht überfahren. Der 54-Jährige steht im Zentrum der Ermittlungen. Auch das veraltete Zugsicherungssystem Signum steht im Brennpunkt. SBB-Chef Andreas Meyer sieht jedoch «kein grosses Sicherheitsproblem».
Die beiden Züge stiessen am Montag um 18.45 Uhr zusammen. Der Aufprall war so heftig, dass der von Lausanne her kommende Zug um acht Meter verkürzt wurde. Der Lokführer – ein 24-jähriger Franzose, der in Payerne VD wohnte – wurde dabei getötet. Sein Zug verkehrte als Regio-Express und sollte in Granges-près-Marnand nicht halten.
Nach dem Unfall dauerte es bis um 1.30 Uhr, bis er aus dem völlig zerstörten Führerstand geborgen werden konnte. Man könne nicht ausschliessen, dass sich noch ein Passagier im Zugswrack befinde, sagte Jean-Christophe Sauterel, Sprecher der Waadtländer Kantonspolizei, am Dienstag vor den Medien in Lausanne. Der Zug wird ins SBB-Werk Yverdon gebracht und auseinander genommen, um Klarheit zu schaffen.
Beim Unfall wurden 25 Personen verletzt und in die Spitäler von Montreux, Yverdon, Payerne, Freiburg sowie das Universitätsspital Lausanne eingeliefert. Am Dienstag waren noch zwei Erwachsene und ein Kind in Spitalpflege.
Lokführer sprang vom Zug
In den Minuten vor dem Aufprall hielt der 54-jährige Lokführer, der von Payerne her kam, in Granges-près-Marnand und setzte danach den Zug wieder in Bewegung. Dabei könnte er ein Rotlicht überfahren haben.
Kurz vor der Frontalkollision leitete er eine Vollbremsung ein und sprang vom Zug. Er überlebte den Unfall und wurde bereits von der Polizei befragt. Zum Inhalt seiner Aussagen machte die Polizei keine Angaben. Die Auswertung der Black Box der beiden Züge steht noch aus.
SBB-Direktor Andreas Meyer drückte an der Medienkonferenz der Familie des getöteten Lokführers sein Beileid aus. Er entschuldigte sich bei allen vom Unfall betroffenen Kunden und dankte den Rettungskräften.
Meyer äusserte sich ebenfalls nicht zur Unfallursache, sagte jedoch, dass der Zug aus Lausanne nicht verspätet war. Beide Züge seien pünktlich gewesen.
Zugsicherungssystem Signum im Brennpunkt
In den Stosszeiten – je zweimal morgens und zweimal abends – kreuzen sich die Züge bei Granges-près-Marnand. Dafür muss der Regionalzug aus Payerne im Bahnhof warten. Dieses System bestehe seit rund zehn Jahren, sagte Philippe Gauderon, Leiter Infrastruktur der SBB.
Eine dafür zuständige Person war im Bahnhof anwesend und wurde ebenfalls bereits von der Polizei befragt. Die betroffene Strecke ist mit dem Zugsicherungssystem Signum ausgestattet. Dieses steht nun nach dem Unfall ebenfalls im Brennpunkt.
Das bereits in die Jahre gekommene System bremst einen Zug erst dann, wenn ein Signal überfahren wurde. Im konkreten Fall wurde das Stellwerk 1958 gebaut. Wann das Signal gebaut wurde, war am Dienstag unklar. Das System war noch im Februar kontrolliert worden.
Trotz mehrerer Unfälle in den vergangenen Jahren wies Meyer ein generelles Sicherheitsproblem bei der SBB zurück. Er betonte jedoch, dass das European Train Control System (ETCS) Level 2 nötig sei, um die Sicherheit auf ein ganz hohes Niveau zu bringen. Das brauche zur Einführung unter optimistischen Bedingungen zehn Jahre und koste über zwei Milliarden Franken.