Eine Berner Torhüter-Legende stärkt Leonardo Genoni, der mit seinem ersten Fehlgriff im dritten Spiel der Playoff-Finalserie das Comeback des EV Zug ermöglicht, den Rücken.
Die frühere SCB-Ikone Renato Tosio, mittlerweile Golfclub-Manager, zwischen 1987 und 2001 vierfacher NLA-Champion und eine herausragende Figur der imposanten Berner Goalie-Dynastie, relativiert den ungewöhnlichen Fehlgriff vor der Wende zum 1:2: «Ein routinierter Mann wie Genoni wird dieses Gegentor einordnen können und nichts von seinem Selbstvertrauen verlieren.» Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda zweifelt die langjährige Nummer 1 der Schweizer Szene keine Sekunde: «Er ist ein Meistergoalie. Genoni wird dem Druck standhalten. Im Final hat er bisher nichts Grundsätzliches falsch gemacht.»
Im Playoff geben die Beteiligten selten viel Stichhaltiges von ihrer Gemütslage preis. Keiner will dem Kontrahenten Angriffsflächen bieten, jeder spürt die mentale Anspannung. Der zermürbende Kampf im 48-Stunden-Rhythmus ist in jeder Beziehung aufreibend. Einige kapseln sich komplett ab. SCB-Torhüter Genoni beispielsweise schweigt in der Öffentlichkeit ausnahmslos – nicht nur nach Niederlagen, sondern aus Prinzip.
In einem letztjährigen SDA-Interview lieferte der dreifache Champion einen Erklärungsansatz für seine selbst auferlegte Silenzio stampa: «Als Goalie bin ich positionsbedingt exponiert, entsprechend fokussiert und klar strukturiert muss ich sein, weil ich der Mannschaft die Chance geben will zu gewinnen.»
Tosio kann die Aussage nachvollziehen, obschon er während der eigenen Karriere einen gegensätzlichen und viel temperamentvolleren Stil gepflegt habe: «Ich war laut und zugänglich. In der Garderobe ergriff ich in schwierigen Situationen das Wort.» Genoni habe er anders kennen gelernt: «Er taucht ab und ist wirklich in seiner Welt. Er verarbeitet für sich, was es zu reflektieren gibt.»
Zwei Grosse des Metiers
Der Sonderstatus im Team sei ohnehin nicht vom individuellen Charakterbild abhängig, so Tosio, er ist rollenbedingt. «Aber es stecken eben letztlich Menschen in der Ausrüstung, keine Roboter.» Lino Martschinis haltbarer Schlenzer verdeutlichte, dass selbst ein formstarker, bisher souveräner und nervenstarker Patron wie Genoni seinen Nimbus des Unbezwingbaren innert Sekundenbruchteilen einbüssen kann.
«Was Genoni passiert ist, kann jedem widerfahren. Manchmal sind ein paar Millimeter entscheidend, manchmal sind auch starke Paraden kaum zu erklären», sagt Tosio. Er denkt dabei auch an die Performance des Zuger Schlussmannes Tobias Stephan, der nach zwei eher mittelprächtigen Leistungen im dritten Spiel 40 Schüsse entschärfte. «Beim 0:5 zum Start passte er sich dem Niveau der Kollegen an, am Dienstag hexte er Zug zum Break! So zurückzukommen, hat mit Routine und Klasse zu tun.»
Für Tosio ist in der Gesamtbetrachtung und Einschätzung seiner Ex-Branche entscheidend, wie die Protagonisten auf Rückschläge reagieren, wie sie sich in kritischen Lagen verhalten: «Big Saves macht man, wenn das Ergebnis knapp ist, wenn der Druck speziell gross ist.» In diesem Kontext schwärmt der 52-jährige Altmeister von der Qualität der Final-Goalies: «Sie sind in der NLA die Besten ihres Metiers.»