Schluss mit Onlinejournalismus

Eine sprachliche Finesse mit grosser Bedeutung: Es wäre an der Zeit, nicht mehr von Onlinejournalismus zu sprechen, sondern von Journalismus im Netz. Es ist kein Geheimnis, dass der Journalismus im Netz nach wie vor – nicht zuletzt in der Medienbranche selber – wenig Prestige geniesst. Ein kleiner Schritt dorthin, dies zu ändern, könnte auf der […]

Unterscheidet noch irgendwer «elektronischen» von anderem Journalismus? Eben.

Eine sprachliche Finesse mit grosser Bedeutung: Es wäre an der Zeit, nicht mehr von Onlinejournalismus zu sprechen, sondern von Journalismus im Netz.

Es ist kein Geheimnis, dass der Journalismus im Netz nach wie vor – nicht zuletzt in der Medienbranche selber – wenig Prestige geniesst.

Ein kleiner Schritt dorthin, dies zu ändern, könnte auf der sprachlichen Ebene geschehen. Vor dem Jahreswechsel habe ich diesen Tweet verfasst:

Es ist eine semantische Finesse, die mir aber umso wichtiger erscheint, je länger ich darüber nachdenke.

Das vorangestellte «Online» modifiziert das Wort «Journalismus». Die implizite Bedeutung des zusammengesetzten Worts ist demzufolge: Der Journalismus wird modifiziert, wenn er online geht. Darin enthalten ist eine Wertung: «Onlinejournalismus» ist mehrheitlich negativ konnotiert und wird nicht selten dazu verwendet, um eine Abgrenzung zu einem Idealbild von Journalismus vorzunehmen.

«Journalismus im Netz» dagegen macht die Aussage: Der Journalismus bleibt wie er ist, er unterscheidet sich lediglich im Verbreitungskanal.

Natürlich muss Journalismus im Netz anders aufbereitet werden als im Radio oder in einer Zeitung. Aber nicht um anders zu sein, sondern um gleich zu bleiben.

Journalismus, egal über welches Medium er verbreitet wird, hat immer dasselbe Ziel. Dieses erreicht er in unterschiedlichen Medien, wenn er jedem Medium angemessen unterschiedlich aufgemacht ist. Im Kern, bezüglich seiner Haltung und Wirkungsabsicht, bleibt er in jeder Medienform derselbe.

Sprachliche Präzision hilft dabei, dieses Verständnis zu schärfen. Ich für meinen Teil werde darum nur noch den Begriff «Journalismus im Netz» verwenden, wenn ich von Journalismus im Netz spreche.

Nachtrag 6.1.2012: Von verschiedener Seite wurde zu meinem Artikel angemerkt, dass man doch auch «Printjournalismus», «Radiojournalismus» oder «Fernsehjournalismus» sage. Das stimmt selbstverständlich. Dazu zwei Anmerkungen:

1. Diese drei Gattungsbegriffe bestehen alle schon länger als der des Onlinejournalismus und sind im Unterschied zu letzterem alle eher positiv oder zumindest neutral konnotiert. Zumindest in einer breiten Öffentlichkeit und heute noch. Es ist durchaus denkbar – und in Onlinekreisen bereits zu beobachten – dass gerade «Printjournalismus» zunehmend negativ konnotiert wird und sich mit demselben Problem konfrontiert sieht, das ich oben für «Onlinejournalismus» beschrieben habe. In diesem Sinne glaube ich, dass auch auch bei den Begriffen «Printjournalismus», «Radiojournalismus» oder «Fernsehjournalismus» eine Neuformulierung mehr Klarheit schaffen würde.

2. «Printjournalismus», «Radiojournalismus» oder «Fernsehjournalismus» beschreiben als solche nicht das Endprodukt mit Nennung des Verbreitungskanals wie es «Journalismus im Netz» tut, sie beschreiben den Prozess. Dies spiegelt sich auch in Berufsdefinitionen wie «Radiojournalist» oder «TV-Journalist». Ich halte das für fragwürdig. Die Aufgabe von Journalisten sollte es sein, Journalismus zu betreiben, der zumindest zu Beginn einer Recherche den Verbreitungskanal offen lässt. «Onlinejournalismus» zu betreiben, impliziert, dass man bereits weiss, dass die Geschichte online erscheint, bevor man sie begonnen hat. Der Verbreitungskanal einer Geschichte sollte aber nicht durch den Stellenbeschrieb des zuständigen Journalisten definiert werden, sondern dadurch, über welchen Kanal sich die Geschichte am besten erzählen lässt. Dass dies in der Praxis nicht immer zu bewerkstelligen ist, ist klar (ich selber wäre aufgrund meiner Fähigkeiten nicht in der Lage, eine Geschichte fürs Fernsehen zu machen, selbst wenn sie da am besten funktionieren würde), anstreben sollten wir es aber auf jeden Fall. Und diese Absicht somit auch sprachlich unterstreichen.

Bildquelle: bas:il, Flickr

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