Die Türkei muss europäische Standards erfüllen, ist aber nicht mehr zwingend daran interessiert, Teil der Europäischen Union zu werden. Auf Wirtschaftsmission in Istanbul zog Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann Parallelen zur Schweiz.
Was die Auslegung von EU-Normen betreffe, sei die Türkei allerdings viel freier als die Schweiz, erklärte Schneider-Ammann am Freitag in der türkischen Wirtschaftsmetropole vor Journalisten. Auch wenn sich durch den Austausch zweier unabhängiger Länder neue Ideen für den Umgang mit der EU auftäten, sei der bilaterale Weg für die Schweiz nach wie vor der einzig sinnvolle, betonte er.
Eben erst diese Woche hatte die EU dem Bundesrat signalisiert, dass sie zuerst die Modalitäten der weiteren Zusammenarbeit regeln wolle, bevor weitere Dossiers wie etwa jenes der Elektrizität diskutiert werden könnten. Vor allem fordert die EU von der Schweiz die Angleichung an das europäische Recht.
Wie Volkswirtschaftsminister Schneider-Ammann ausführte, stellt dies die Schweiz vor eine Herausforderung, denn der Handlungsspielraum ist mit Blick auf den Schweizer Anspruch nach staatlicher Souveränität gering. Fortschritte in diesem Verhandlungsprozess mit der EU seien weder in den nächsten Wochen noch in den nächsten Monaten zu erwarten.
Die Türkei ist im Vormarsch
Die Türkei will der EU bereits seit 50 Jahren beitreten, doch die seit 2005 geführten Beitrittsverhandlungen haben bisher zu keinem konkreten Resultat geführt. Wie es scheint, ist die Türkei auf eine Annäherung an die EU auch gar nicht mehr unbedingt erpicht.
So stellte die seit Mittwoch in der Türkei weilende Schweizer Delegation fest, dass die Türkei unterdessen ein grosses Selbstbewusstsein entwickelt hat. „Die Türken sind sich ihres Erfolgs der letzten Jahre sehr bewusst“, erklärte Schneider-Ammann dazu.
Mit ihren über 72 Millionen Einwohnern erreichte die Türkei als traditionelles Bindeglied zwischen Europa und dem Orient 2011 ein Wirtschaftswachstum von 7,5 Prozent. Wirtschaftsexperten sagen dem Land eine grosse Zukunft mit einem Platz unter den zehn weltgrössten Volkswirtschaften voraus.
Die Schweiz ist bereits mit rund 600 Unternehmen vor Ort vertreten. Diese nutzen die Türkei unter anderem auch als Plattform, um Beziehungen zu anderen Ländern in der Region knüpfen zu können.