Der Mann, der im Mai 2011 in Schafhausen im Emmental bei der Zwangsräumung seiner Wohnung einen Polizisten erschossen und einen zweiten verletzt hat, ist für den Staatsanwalt ein Mörder und muss lebenslänglich hinter Gitter. Der Verteidiger sieht hingegen keine Tötungsabsicht.
Der Staatsanwalt sagte am Montag beim Auftakt des Prozesses vor dem Regionalgericht Emmental-Oberaargau in Burgdorf, der heute 37-jährige Wohnungsmieter habe damals genau gewusst, was ihm bevorstehe.
Der im Dorf aufgewachsene Schweizer habe die beiden Polizisten, die den Betreibungsweibel begleiteten, heimtückisch und kaltblütig in einen Hinterhalt gelockt: Als die beiden die Schlafzimmertür der Wohnung aufstemmten, eröffnete der Mieter das Feuer und verletzte den einen Polizisten mit einem Oberarmdurchschuss.
Der andere Polizist wurde in der Bauchgegend und im Brustbereich getroffen und verblutete noch am Tatort. Er hinterliess eine Frau und zwei Kinder. Der Betreibungsweibel blieb unverletzt, ist aber noch heute stark traumatisiert und kann seine ursprüngliche Tätigkeit nicht mehr ausüben.
Die Schüsse kamen aus einer Armeepistole. Diese hätte der Wohnungsmieter eigentlich gar nicht mehr besitzen sollen. Er hatte die Waffe nach der Ausmusterung aus dem Dienst aus medizinischen Gründen im Jahr 2007 nicht zurückgegeben. Niemand hatte ihn jedoch für die Abgabe aufgeboten.
Verhaftet wurde der 37-jährige kurz nach der Tat vom verletzten Polizisten und einer Verstärkung.
„Wildes Tier, das Höhle verteidigt“
Von einem wilden Tier, das seine Höhle habe verteidigen wollen, sprach der Verteidiger. Er zeichnete das Bild eines Menschen, der sich ab etwa dem Jahr 2003 immer mehr isolierte, unzuverlässig wurde, immer weniger arbeitete und zuletzt Schulden von rund 185’000 Franken aufgehäuft hatte.
Weil er seine Miete nicht mehr bezahlte, wollte ihn schliesslich der Wohnungsbesitzer auch nicht mehr haben und forderte die Zwangsräumung.
Am Tag dieser Räumung habe der Beschuldigte die Polizisten nicht töten wollen, sondern lediglich angestrebt, dass sie ihn in Ruhe liessen und gingen. „Er wollte verletzen, nicht töten“, so der Verteidiger.
Von Hinterhalt könne keine Rede sein, denn die Polizisten hätten gewusst, worauf sie sich einliessen. Es gebe zwar einige Elemente, die für Mord sprächen. In einer Gesamtsicht handle es sich aber bei den tödlichen Schüssen um vollendete eventualvorsätzliche Tötung. Der Mann habe also den Tod des einen Polizisten in Kauf genommen.
Der Verteidiger sagte weiter, es sei sicher eine strenge Strafe angebracht, aber eine angemessene. Er verzichtete darauf, ein ihm sinnvoll erscheinendes Strafmass zu beantragen. Das Gericht wird sein Urteil am Mittwochnachmittag eröffnen.
Kein psychiatrisches Gutachten
Vor Gericht blieb am Montag unklar, ob der Schütze von Schafhausen im Emmental geisteskrank ist. Der Mann verweigerte nämlich Aussagen, als es darum ging, eine psychiatrische Expertise anzufertigen.
Die am Montag vom Gericht als Sachverständige befragte Psychiaterin gab zu Protokoll, sie sehe mehrere Indizien für eine schizophrene Erkrankung. Solange der Beschuldigte aber keine Befragung zulasse, könne sie keine gesicherten Aussagen machen.
Der Verteidiger zeigte sich überzeugt, dass der Schütze zum Zeitpunkt der Tat zumindest vermindert schuldfähig gewesen sei. Wenn kein Gutachten vorliege, konterte der Staatsanwalt, dürfe man auch nicht von verminderter Schuldfähigkeit ausgehen.
Der Beschuldigte selbst sagte am Montag vor Gericht kaum etwas. Er verweigerte meistens die Aussage, antwortete aber bestimmt auf die entsprechende Frage, er halte sich nicht für geisteskrank.