Der Fall einer syrischen Migrantin beschäftigt das Schweizer Grenzwachtkorps und die italienische Politik. Die Frau soll wegen verweigerter medizinischer Hilfe bei einer Rückführung eine Totgeburt erlitten haben. Das Grenzwachtkorps hat eine Untersuchung eingeleitet.
Den Fall der 22-jährigen Syrerin machte am Mittwochabend die SRF-Sendung «10vor10» publik. Grenzwachtkorps-Chef Jürg Noth bestätigte im Grundsatz einen Vorfall: «Ich habe Kenntnis davon, dass in Domodossola im Anschluss an eine Rückführungsaktion in einem Spital ein medizinischer Vorfall passiert ist. Ich habe danach sofort eine Untersuchung eingeleitet.»
Gemäss «10vor10» gehörte die Syrerin zu einer Gruppe von Migranten, die am 4. Juli auf dem Weg von Mailand nach Paris in einem Zug kurz nach der Schweizer Grenze aufgegriffen und den Schweizer Behörden für die Rückführung nach Italien übergeben wurde.
Auf dem Weg durch die Schweiz soll die Frau, die offenbar im siebten Monat schwanger war, starke Blutungen erlitten haben. Ihr Ehemann sagte gegenüber «10vor10», trotz wiederholten Hilferufen seinerseits hätten die Schweizer Beamten nicht reagiert. Nach ihrer Ankunft im italienischen Domodossola sei sie zusammengebrochen und ins Spital eingeliefert worden. Dort habe das Kind nur noch tot geboren werden können.
Kritik aus Italien
Der behandelnde Arzt kritisiert die Schweizer Beamten in der TV-Sendung scharf: «Wenn der Frau in der Schweiz geholfen worden wäre, hätte das Unglück verhindert werden können.»
Auch die stellvertretende Bürgermeisterin von Domodossola, Liliana Graziobelli findet deutliche Worte: «In Europa darf eine Schwangere so nicht behandelt werden. Dass das gerade bei den sonst so ordentlichen und anständigen Schweizer Nachbarn passiert, trifft mich schwer.»
Grenzwachtkorps-Chef Jürg Noth zeigte sich ebenfalls bestürzt: «Ich bin tief betroffen und möchte den Angehörigen der Frau mein Mitgefühl ausdrücken.»
Die Flüchtlingsgruppe sei während der Rückführung von Vallorbe bis Domodossola in der Verantwortung der Schweizer Grenzwächter gewesen, sagte Noth gegenüber «10vor10». Ob und wie Schweizer Beamte in den Vorfall involviert seien, werde nun sofort abgeklärt. Noth erwartete, Ende der Woche mehr zu wissen.
Der Vorfall beschäftigt auch die italienische Politik. Der italienische Abgeordnete Enrico Borghi verlangt laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA Auskunft vom Innenministerium über die Verantwortung in diesem Fall und die Anwendung internationaler Normen.