Bekannte Schweizer Firmen und Klimaforscher haben an die Schweiz appelliert, in der Klimapolitik nachzulegen. 35 Firmen schalteten Zeitungsinserate, in denen sie den Bundesrat auffordern, das Reduktionsziel für Kohlendioxid bis 2020 auf 40 Prozent zu verdoppeln.
Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um 60 Prozent gesenkt werden, verlangen unter anderem die Detailhändler Coop und Aldi, der Möbel-Konzern Ikea, McDonalds Schweiz oder Solarflugpionier Bertrand Piccard. Der Appell wurde vom Wirtschaftsverband swisscleantech und vom WWF angestossen.
Die Botschaft der Beteiligten lautet, das Klima zu schützen lohne sich. Der Bundesrat sollte am kommenden Mittwoch eine Aussprache zur Klimapolitik halten, schreiben die Firmen und Forscher am Montag in einer Mitteilung.
Mutloser Bundesrat
Dabei werde der Bundesrat über das Schweizer CO2-Reduktionsziel bis 2020 und das Klimaregime nach 2020 sprechen. Bisher gebe es aber keine Anzeichen, dass der Bundesrat das Reduktionsziel erhöhen werde, obwohl das Gesetz ihn dazu befähige.
Das CO2-Gesetz, das seit vergangenem Jahr in Kraft ist, sieht eine Reduktion von 20 Prozent bis 2020 vor gemessen am Jahr 1990. Dieses Ziel soll ausschliesslich durch inländische Massnahmen erreicht werden.
Die Firmen fordern den Bundesrat auch auf, sich auf internationaler Ebene «offensiv» für die Klimapolitik zu engagieren. 2014 sei für die Klimapolitik ein entscheidendes Jahr, unter anderem wegen des Klimagipfels bei UNO-Generalsekretär Ban-Ki-Moon im September. Deutschland etwa habe bereits ein 40-Prozent-Reduktionsziel bis 2020.
Weltklimarat mahnt zum Handeln
Die Forderungen der Firmen decken sich mit jenen des Weltklimarats (IPCC). Dieser hat in seinem 5. Klimabericht die Staatengemeinschaft zu einer raschen Abkehr von fossilen Brennstoffen – Kohle, Erdöl und Erdgas – aufgefordert.
Der IPCC empfiehlt, die CO2-Emissionen bis 2050 um 40 bis 70 Prozent zu verringern, verglichen mit dem Stand von 2010. Der Anteil nicht-fossiler Energieerzeugung wie erneuerbare Energien solle bis 2050 auf über 80 Prozent steigen.
Ohne radikale Energiewende und konsequente Reduktion von CO2 in der Atmosphäre dürften die Menschen ihr selbst gesetztes Ziel kaum erreichen, die Erderwärmung auf zwei Grad im Vergleich zum Beginn des Industriezeitalters zu begrenzen. Und je stärker die Erderwärmung, desto gravierender die Folgen und höher die Kosten und desto weniger liesse sich der Klimawandel bewältigen, warnen die Forscher.
Der dritte Band des 2000 Seiten starken 5. IPCC-Sachberichts wurde Mitte April in Berlin veröffentlicht. Bis Oktober will der Weltklimarat der UNO noch den Synthesebericht ausarbeiten. Der Rat versteht seinen Bericht auch als Wegleitung für die Politik. Der nächste Weltklimagipfel findet Ende Jahr in Peru statt, der übernächste Ende 2015 in Paris.
Schweizer Hauptautoren
Am Bericht haben sich über 830 Hauptautoren ehrenamtlich beteiligt, darunter mehrere Schweizer. Weitere arbeiteten als Lektoren der IPCC-Begutachtungsrunden. Bei einer Veranstaltung an der Universität Freiburg mit dem Titel «IPCC Climate Change 2014» forderten am Montag auch einige dieser Forscher Politik und Bevölkerung zum Handeln auf.
«Angesichts der Veränderungen wird pro-aktives Handeln trotz hoher Kosten deutlich billiger sein als kein Handeln», sagte dort beispielsweise Martin Beniston von der Universität Genf gemäss einer Mitteilung von ProClim, dem Klimaforum der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz.