Ein Ende mit Schrecken hatte sich abgezeichnet. Der Schaden ist nun aber grösser als erwartet: Die Bürgschaften, die der Bund für die Schweizer Hochseeschiffe eingegangen ist, kosten ihn voraussichtlich 215 Millionen Franken.
Anfang Jahr hatte der Bundesrat noch mit einem Schaden von 170 bis 200 Millionen Franken gerechnet. Inzwischen wurden für zwölf Schiffe Käufer gefunden, die Verträge wurden diese Woche unterschrieben, wie das Wirtschaftsdepartement WBF am Donnerstag mitteilte. Für ein dreizehntes zeichnet sich ebenfalls eine Lösung ab. Um den voraussichtlichen Schaden zu decken, hat der Bundesrat dem Parlament einen Nachtragskredit über 215 Millionen Franken beantragt.
«Es tut jede einzelne Million weh», sagte Bundesrat Johann Schneider-Ammann im «Echo der Zeit» von Radio SRF. «Wir haben sicher nicht optimale Kontrollen vorgenommen», sagte er. Man sei davon ausgegangen, dass das Geschäft rund laufe. Er bedaure die Angelegenheit sehr und nehme einen Teil auch auf sich, sagte der Wirtschaftsminister weiter.
Schwieriges Verhältnis
In einer Mitteilung des WBF ist von einem «schwierigen und verlustreichen Verkaufsprozess» die Rede. Offenbar konnte der Bund als Bürge die Verhandlungen nur beschränkt beeinflussen. Auch das Verhältnis zum Eigner der verkauften Schiffe war alles andere als harmonisch, wie aus der Botschaft ans Parlament hervorgeht.
Dieser sei nicht bereit gewesen, die vom Bund geforderte wirtschaftlich nachhaltige Sanierung umzusetzen, heisst es darin. Eine Sanierung scheiterte auch an Konflikten zwischen dem Eigner und der Geschäftsleitung. All das führte schliesslich dazu, dass die Schiffe unter hohem Druck und zu einem ungünstigen Zeitpunkt verkauft werden mussten.
Es handelt sich um acht Schiffe der SCL- und vier Schiffe der SCT-Gruppe des Investors Hansjürg Grunder. Ein weiteres Schiff, das 2011 von SCL an einen Investor verkauft worden war, erwies sich als wirtschaftlich ebenfalls nicht tragfähig. Für diese 13 Schiffe ging der Bund Bürgschaften über insgesamt 254 Millionen Franken ein.
Gemäss Botschaft hoffte der Bundesrat, zwölf Schiffe als Paket verkaufen zu können. Er rechnete mit einem Verkaufserlös von rund 71 Millionen Franken. Zusammen mit weiteren Kosten und einer Sicherheitsmarge kam er so auf den Betrag von 215 Millionen Franken für den Nachtragskredit.
Der «En Bloc»-Verkauf kam jedoch nicht zustande. Nach Auskunft des WBF wurden die Schiffe an mehrere Käufer verkauft. Um wen es sich handelt, gab das WBF nicht bekannt. Ebenso schweigt es sich über den letztlich erzielten Verkaufserlös aus. Dieser ist aber offenbar so hoch, dass keine Aufstockung des Nachtragskredits nötig wurde.
Erstmals Schaden für den Bund
Die Schweizer Hochsee-Handelsflotte war während des Zweiten Weltkrieges zur Sicherung der Landesversorgung gegründet worden. Nach Kriegsende gingen die Schiffe in private Hände über. In Interesse der Landesversorgung stand der Bund aber weiterhin als Bürge dafür ein. Aktuell belaufen sich die Verpflichtungen auf 770 Millionen Franken. Bisher musste der Bund noch nie dafür gerade stehen.
Doch seit 2008 steckt die Schifffahrtsindustrie weltweit in der Krise. Gründe sind massive Überkapazitäten und sinkende Frachtpreise. Davon blieb auch die Schweizer Hochsee-Schifffahrt nicht verschont. SCL und SCT schlitterten 2015 erstmals am Konkurs vorbei, ein Turnaround misslang.
Im September 2016 schlug die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) Alarm. Sie warnte vor einem hohen finanziellen Risiko für den Bund als Bürgen und empfahl, dem Eigner keine weitere Unterstützung zu gewähren.
Im Dezember stimmte der Bundesrat dem Verkauf der zwölf Schiffe zu. Zudem beschloss er, den Bürgschaftsrahmenkredit nicht zu erneuern. Dabei spielten nicht nur finanzielle Überlegungen eine Rolle, sondern auch die sinkende Bedeutung der Schweizer Hochseeschiffe für die Landesversorgung.
Die letzten vergebenen Bürgschaften laufen im Jahr 2031 aus. Danach steht die Schweizer Hochsee-Flotte ohne Sicherheitsnetz da. Diese besteht nun noch aus 37 Schiffen.
Noch kein Schlussstrich
Auch diese kämpfen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Bund, Banken und die betroffenen Reedereien haben jedoch Massnahmen ergriffen, um Liquiditätsengpässe zu überwinden und den Schiffsbetrieb zu sichern, wie es in der Botschaft heisst. Entscheidend für das Überleben wird jedoch die Entwicklung der Märkte sein.
Auch für die Verwaltung ist die Krise noch nicht ausgestanden. Die Finanzkontrolle untersuchte im Auftrag des WBF, ob im Zusammenhang mit den Bundes-Bürgschaften alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Im Fokus der Kontrolleure stehen die Vergabepraxis beim Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL), die Erhöhung der Bürgschafts-Rahmenkredite im Jahr 2008 oder der Umgang mit gestiegenen Risiken seit Beginn der Krise.
In der Botschaft sind verschiedene Ergebnisse aus dem Untersuchungsbericht aufgelistet, darunter ein schwaches inneres Kontrollsystem und eine unkritische Prüfung neuer Gesuche. Veröffentlicht worden ist der Bericht bisher nicht. Wegen hängiger Beschwerden verzögert sich die Publikation laut WBF um Wochen oder gar Monate.