Eine zweite Niederlage darf sich die Schweiz heute Abend in Maribor gegen Slowenien (20.45 Uhr) nicht erlauben. Ansonsten droht in der EM-Qualifikation 2016 eine heikle Fortsetzung der Kampagne.
Mit der maximalen Vorgabe, sechs Punkte zu gewinnen, hoben die Schweizer in ihrer Charter-Maschine zu den Gastspielen in der Adria-Region in Maribor und San Marino ab. Dazu kommt die Empfehlung des Juve-Stars Stephan Lichtsteiner: «Nicht nervös werden, es ist rein gar nichts verloren.» Er attestiert seinen Copains ausreichend Qualität, um eine sofortige Trendwende zu erzwingen.
Statt bei erster Gelegenheit England unter Druck zu setzen, drohen die Schweizer ihrerseits unvorteilhaft früh in Bedrängnis zu geraten. Das 0:2 zum Auftakt in Basel mag im Kreis der SFV-Auswahl zwar keiner der Beteiligten dramatisieren. Aber eine negative Fortsetzung der Kampagne würde den Aufschwung der letzten Jahre zweifellos beeinträchtigen – auch wenn das Abdriften vom EM-Kurs dank der Aufblähung des Endrundenfeldes durchaus noch zu korrigieren wäre, weil die UEFA ja auch für den Gruppendritten in der Barrage noch eine Hintertür offen hält.
In ihrer Feusisberger Komfortzone strahlten die Schweizer in den Tagen vor der heiklen Aufgabe in der kleinen Alpen-Republik an der Spitze des Balkans mehrheitlich Gelassenheit aus. Der enttäuschende Start soll Geschichte sein. Die Fehler, das teils ängstliche Auftreten, die Nervosität, die Kontertore wurden intern analysiert – kurzum: das Negative hat jeder archiviert. Für den ersten Schritt in die gewünschte Richtung benötige man nun positive Inputs, so der Tenor der Hoffnungsträger.
Vladimir Petkovic hatte unmittelbar vor der Eröffnung der Qualifikationsphase klar deklariert, dass er die Schweiz nicht mehr der mittleren Kategorie zuordnet: «Die Pole-Position muss dauerhaft das Ziel sein.» Für ihn war seit dem Tag der Auslosung klar, «dass das Rennen um einen direkten EM-Startplatz in den Spielen gegen die übrigen vier entschieden wird».
Keine Lobby
Slowenien wird für Petkovic mit seiner neuen spielerischen Ausrichtung zum ersten echten Gradmesser. Die Aura von Ottmar Hitzfeld besitzt der Tessiner nicht. Sein Palmarès schützt ihn im Misserfolg nicht vor einer medialen Breitseite. Würde der Taktiker ohne Punkt vom Balkan zurückkehren, hätte er aller Voraussicht nach eine erste Breitseite der Kommentatoren auszuhalten. Dann würde neben der Systemdebatte eine weitere aufflammen: Die Trainerdiskussion.
Dem Welttrainer Hitzfeld wurde 2008 bei der peinlichen Heimpremiere als SFV-Selektionär eine epochale Blamage gegen Luxemburg (1:2) ziemlich rasch verziehen. Und selbst nach dem total missglückten Auftakt zur Ausscheidung für die EM-Endrunde 2012 kamen kaum je flächendeckend Zweifel auf. Das Scheitern Petkovics ist im Verbands-Drehbuch hingegen nicht vorgesehen. Goldene Fallschirme werden für ihn in keinem Verlagshaus gelagert. Dazu fehlt ihm ausserhalb der Südschweiz die Lobby und wohl auch die überdurchschnittlich breite Akzeptanz, wie sie «OH» im deutschsprachigen Raum zeitlebens zuteil wird.
Um nicht frühzeitig in einen Argumentationsnotstand abzugleiten, ist der Taktgeber auf ein positives Resultat schon fast angewiesen. Ansonsten wird der ruhige Auf- und Umbau ein schwieriges Unterfangen. Das taktisch bedingte Set-up wäre bei einem neuerlichen Rückfall akut gefährdet – und die Glaubwürdigkeit würde angekratzt, noch ehe der Herbst so richtig begonnen hat. Es stünde der Nummer 10 der FIFA-Rangliste nicht gut an, in der Gruppe E nach zwei Runden auf gleicher Höhe wie der global schwächste Vertreter San Marino klassiert zu sein.
Die erste Phase kann eine Ära nachhaltig prägen. Das Timing ist wichtig. Wer im September und Oktober nicht auf Touren kommt, schiebt das Problem in der Regel eine ganze Qualifikationsperiode lang vor sich her. Die Schweizer haben das Worst-Case-Szenario vor vier Jahren am eigenen Leib erfahren müssen – dem 1:3 gegen England folgte der Fehltritt in Montenegro (0:1), das Handicap war in der Gesamtrechnung nicht mehr zu korrigieren.
Sloweniens Qualitäten
Auf die Schweizer kommt im engen Stadion des NK Maribor mutmasslich ein Kontrahent zu, der alle Register ziehen wird, um sich für das nicht einkalkulierte 0:1 in Tallinn zu rehabilitieren. In der Arena «Ljudski vrt» hat die seit 2012 erneut vom früheren Bundesliga-Raubein Srecko Katanec gecoachte Equipe in den letzten zwei Dekaden nur selten verloren. Der WM-Teilnehmer von 2010 ist unter keinen Umständen zu unterschätzen, auch wenn Slowenien seit dem letzten Rendez-vous mit Shaqiri und Co. im Rahmen der WM-Ausscheidung in Bern (0:1) vier von fünf Partien verloren hat. In der von Inter Mailands Stammkeeper Samir Handanovic angeführten Mannschaft steckt reichlich internationale Erfahrung – auf über 500 Spiele in der Serie A und in der Bundesliga kommt die Stammelf. Und das 1:1 des slowenischen Champions-League-Teilnehmers Maribor auf Schalke dürften am Dienstag vor einer Woche auch die Schweizer Entscheidungsträger registriert haben.