Schweizer WM-Premiere gegen den Titelverteidiger

Seit Wochen bereitet sich das Schweizer Nationalteam der Frauen auf ihren ersten WM-Einsatz vor. In der Nacht auf Dienstag (4.00 Uhr/SRF2) ist es nun endlich so weit: Titelverteidiger Japan wartet.

Beim Abschlusstraining am Sonntagabend tauchen die Schweizerinnen erstmals in die Atmosphäre des riesigen BC Place Stadiums ein (Bild: SI)

Seit Wochen bereitet sich das Schweizer Nationalteam der Frauen auf ihren ersten WM-Einsatz vor. In der Nacht auf Dienstag (4.00 Uhr/SRF2) ist es nun endlich so weit: Titelverteidiger Japan wartet.

«Wir sind froh, wenn es endlich losgeht», sagte Captain Caroline Abbé bei der offiziellen Pressekonferenz vor dem Spieltag. Gleich im Anschluss konnte die Schweizer Abwehrpatronin mit ihren Teamkolleginnen beim Abschlusstraining im riesigen BC Place Stadium (54’500 Zuschauer) in Vancouver einen ersten Eindruck von der Atmosphäre gewinnen. Für den Fall, dass es beim Spiel ungewohnt laut wird, sind die Schweizerinnen jedenfalls gewappnet. Welche Massnahmen sie getroffen haben, wollten jedoch weder Abbé noch ihre Trainerin Martina Voss-Tecklenburg verraten.

Die Nationaltrainerin wollte auch 24 Stunden vor dem Anpfiff das Geheimnis um die Torhüterposition nicht lüften. Vieles deutet jedoch darauf hin, das die Schweiz mit der gleichen Formation antreten wird, wie zuletzt im Testspiel gegen Deutschland; will heissen, mit Gaëlle Thalmann im Tor. Für die 29-jährige Freiburgerin wäre es nach ihrem im November erlittenen Kreuzbandriss ein weiterer Meilenstein nach einer langen und beschwerlichen Rehabilitation.

Speziell ist die Auftaktpartie gegen den Titelverteidiger auch für Lara Dickenmann. Läuft alles nach Plan, wird die 29-jährige Krienserin gegen Japan ihr 100. Länderspiel bestreiten. Mehr Einsätze für das Schweizer Nationalteam haben bisher nur die beiden Rekordnationalspielerinnen Martina Moser und Caroline Abbé (je 105) absolviert.

Dickenmann gilt als Pionierin im Schweizer Frauenfussball. Im Jahr 2004 wagte sie als erste Schweizer Spielerin den Schritt ins Ausland. Den Aufstieg des Nationalteams hat sie ebenfalls von Beginn an miterlebt. An ihr erstes Länderspiel kann sich die torgefährliche Offensivspielerin noch gut erinnern: «Wir haben auswärts gegen Frankreich 2:1 gewonnen und ich habe ein Tor geschossen.» Seither sind fast 13 Jahre vergangen und Dickenmann ist längst zur Führungsspielerin gereift; das beweisen auch ihre 40 Tore im Nati-Dress. Mit Olympique Lyonnais gewann sie zweimal die Champions League. Zuletzt wurde Dickenmann gleich viermal hintereinander zur Schweizer Fussballerin des Jahres gekürt. Bevor sie in der nächsten Saison beim ambitionierten Bundesliga-Klub Wolfsburg nochmals eine neue Herausforderung in Angriff nimmt, möchte sie mit ihren Schweizer Teamkolleginnen an der WM für Furore sorgen.

Um das angestrebte Ziel, die Achtelfinals, zu erreichen, wäre ein Punktgewinn gegen die spielstarken Japanerinnen natürlich willkommen, aber nicht Pflicht. «Dies ist für beide Teams eine Standortbestimmung», ordnete Nationaltrainerin Voss-Tecklenburg die Bedeutung des Spiels ein. «Der Ausgang dieser Partie entscheidet noch nicht über ein allfälliges Weiterkommen.» Klar ist, die Schweizerinnen treten gegen den amtierenden Weltmeister als Aussenseiterinnen an, der Druck liegt bei den Asiatinnen. Doch diese sind vor dem WM-Neuling gewarnt. «Die Schweizerinnen bringen viel Qualität mit. Für mich ist es schwer vorstellbar, dass sie noch nie an einer WM-Endrunde teilgenommen haben», sagte Japans Trainer Norio Sasaki.

Mit begeisterndem Tempo- und Offensivfussball sicherten sich die Nadeshiko, wie die Japanerinnen genannt werden, vor vier Jahren in Deutschland ihren ersten WM-Titel. Nach einem torreichen Finalspiel (2:2) setzten sie sich gegen die favorisierten Amerikanerinnen im Penaltyschiessen durch. Japans Trainer Sasaki schätzt seine Equipe im Vergleich zu vor vier Jahren noch stärker ein. Im Vorfeld der WM warfen japanische Journalisten dem 57-Jährigen jedoch vor, er habe sein Team nicht weiter entwickelt und vor allem nicht verjüngt. Mit einem Altersdurchschnitt von 28,3 Jahren stellen die Japanerinnen hinter den USA (29,4 Jahre) tatsächlich das zweitälteste Team aller Endrunden-Teilnehmer.

Im 23-Frau-Kader der Japanerinnen sticht vor allem ein Name heraus, der von Homare Sawa. Die 36-Jährige aus Tokio steht vor ihrer sechsten WM. Gemeinsam mit der ebenfalls noch aktiven Brasilianerin Formiga wird Sawa in Kanada damit einen Rekord aufstellen. Denn weder bei den Männern (Lothar Matthäus, Gianluigi Buffon und Antonio Carbajal mit je 5 WM-Teilnahmen) noch bei den Frauen hat das vorher jemand geschafft. Die Mittelfeldspielerin war mit ihren fünf Toren massgeblich am Titelgewinn vor vier Jahren beteiligt und wurde zur besten Spielerin des Turniers gewählt. Nach den Olympischen Spielen 2012 in London verkündete die Weltfussballerin von 2011 den Rücktritt auf internationaler Ebene, ehe sie in diesem Frühjahr doch nochmals ihr Comeback im Nationalteam gab. Nicht zuletzt wegen ihrer 83 Tore in 199 Spielen gilt Sawa in ihrer Heimat als grosse Hoffnungsträgerin im Hinblick auf eine erfolgreiche Titelverteidigung.

Mögliche Schweizer Aufstellung: Thalmann (Duisburg); Rinast (Köln), Wälti (Potsdam), Abbé (Bayern München), Maritz (Wolfsburg); Bernauer (Wolfsburg), Moser (Hoffenheim); Humm (Zürich), Dickenmann (Lyon), Crnogorcevic (Frankfurt); Bachmann (Rosengard Malmö).

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