Erstmals in der Schweiz ist ein Mann gerichtlich verurteilt worden, der mit einer so genannten «Kamikaze»-Taube einen Greifvogel vergiftet hat. Der Schweizer Vogelschutz SVS/Bird Life hofft auf eine Signalwirkung des Urteils.
Das Bezirksgericht Dielsdorf ZH hat am Montag eine bedingte Freiheitsstrafe von elf Monaten und eine Busse von 4000 Franken wegen mehrfacher Tierquälerei und anderer Delikte ausgesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, allerdings waren sich Anklage und Verteidigung einig bezüglich Schuldspruch und Strafmass.
Der beschuldigte Schweizer hat gestanden, er habe Mitte August 2015 einer nicht beringten Taube aus seinem Schlag ein starkes, in der Schweiz und der EU verbotenes Gift auf die Nackenfedern gestrichen und sie dann fliegen lassen. Ein Habicht, der die Taube erbeutete, wurde so getötet. Dies hatte der Mann beabsichtigt.
Zu diesem Zweck hatte er das Gift in Serbien gekauft und illegal in die Schweiz eingeführt. Im Zusammenhang mit Beschaffung, Einfuhr und Ausbringen des Giftes machte sich der Mann laut Gericht der Verstösse gegen die entsprechenden Gesetze schuldig.
Und weil seine Taubenhaltung ganz und gar nicht den Vorschriften entsprach, kam ein Tierschutzvergehen dazu. Heute ist die Haltung in Ordnung, wie ihm attestiert wurde.
Vom Verfahren gezeichnet
Der Einzelrichter rügte den «bedenkenlosen Umgang mit hochgiftigen Substanzen». Damit wurden andere Tiere, aber auch Menschen gefährdet, wie zuvor die Staatsanwältin deutlich gemacht hatte.
Von einer unbedingten Freiheitsstrafe sah der Richter mit Blick auf das bis zum Vorfall tadellose Leben des 42-jährigen Beschuldigten ab. Das Verfahren – einschliesslich mehrere Wochen Untersuchungshaft – habe ihn «offensichtlich gezeichnet». Es sei zu hoffen, dass er etwas gelernt habe.
Wie der Verteidiger in seinem Plädoyer sagte, hat sein Mandant einfach nach Wegen zum Schutz seiner Tauben gesucht, von denen immer wieder eine von Greifvögeln geschlagen wurde. Dabei habe er «die Verhältnismässigkeit aus den Augen verloren».
Kein Kavaliersdelikt
Gemäss den Ausführungen der Staatsanwältin war die Tat des Beschuldigten kein Kavaliersdelikt. Er habe ein Tier zum Mittel degradiert, um ein anderes – und erst noch geschütztes – Tier zu töten. Dabei sei er direkt vorsätzlich vorgegangen, sagte die Anklägerin.
In gewissen Taubenzüchterkreisen in der Schweiz und im Ausland werde die «systematische Ausrottung» von Greifvögeln unverblümt gefordert und diskutiert. Die Züchter fürchteten um gute Rangierungen in den Wettbewerben.
Vogelschutz hofft auf Signalwirkung
Wie Werner Müller, Geschäftsführer des Schweizer Vogelschutzes SVS/Bird Life, nach der Urteilseröffnung sagte, hofft man, dass andere Taubenhalter dieses schweizweit erste Urteil in einem Fall von gezielter Greifvogel-Vergiftung als Anlass nehmen, damit aufzuhören.
Immer wieder komme es in der Schweiz zu Meldungen über vergiftete Wanderfalken, Habichte und andere Greifvögel. Dabei sei die Dunkelziffer hoch, sagte Müller, denn längst nicht alle würden gefunden. Die Verfolgung der geschützten Tiere wirke sich deutlich auf deren Bestände aus. So seien etwa im Kanton Zürich nur noch ein bis zwei Wanderfalken-Paare bekannt.