Die gewaltsame Auflösung einer Kundgebung in der tunesischen Hauptstadt Tunis hat am Montag zu schweren Ausschreitungen zwischen Polizei und Demonstranten geführt.
Mehrere hundert Teilnehmer der Versammlung zum Tag der Märtyrer, der an einen blutigen Einsatz der französischen Kolonialtruppen 1938 erinnert, wurden von Sicherheitskräften wegen eines geltenden Demonstrationsverbots mit Schlägen und Tränengas auseinandergetrieben.
15 Kundgebungsteilnehmer seien wegen Schlagverletzungen oder Übelkeit behandelt worden, sagte ein Verantwortlicher der Notaufnahme im Spital Charles Nicolle, einem der grössten in Tunis. Menschenrechtsaktivisten sprachen von dutzenden Verletzten durch den Polizeieinsatz.
Laut Innenministerium wurden Polizisten mit Steinen und Brandsätzen beworfen. Es habe bei den Beamten acht Verletzte gegeben, darunter zwei, die schwere Kopf- und Gesichtswunden davongetragen hätten. Staatspräsident Moncef Mazrouki sprach am Abend „von einem nicht hinnehmbaren Mass an Gewalt“ auf beiden Seiten.
Versammlungsverbot im Zentrum von Tunis
Seit Ende März sind auf der Bourguiba-Strasse im Zentrum von Tunis sämtliche Versammlungen verboten, nachdem islamische Fundamentalisten dort Künstler angegriffen hatten.
Zu der Kundgebung am Montag hüllten sich mehrere Demonstranten in tunesische Flaggen und riefen: „Wir haben keine Angst, das Volk ist hier!“ Die Polizisten trugen Helme und Schlagstöcke. Auch eine Reporterin des französischen Magazins „Le Point“ wurde von Polizisten geschlagen und ihr Fotoapparat auf dem Trottoir zertrümmert.
In Tunesien setzte die Protestbewegung ein, die in der arabischen Welt für einen weitreichenden Umbruch sorgte. Nach 23-jähriger Herrschaft ging der tunesische Präsident Zine al-Abidine Ben Ali unter dem Druck von Demonstrationen am 14. Januar 2011 nach Saudi-Arabien ins Exil. Bei der Wahl zur verfassunggebenden Versammlung Ende Oktober erhielt die islamistische Ennahda-Partei die meisten Sitze.
In der tunesischen Gesellschaft gibt es aber weiterhin starke Spannungen. Schon am Samstag wurde in Tunis eine Kundgebung arbeitsloser junger Akademiker auseinandergetrieben. „Ich bin entsetzt“, sagte der frühere Präsident der Menschenrechtsliga, Mokhtar Trifi. „Die Leute, die von der Revolution an die Macht getragen wurden, hindern uns nun am Demonstrieren.“