Nach schweren Unwettern und Überschwemmungen ist in der norditalienischen Stadt Genua keine Normalität in Sicht. Die höchste Warnstufe für die Region wurde bis Montagabend verlängert, nachdem weitere Regenfälle und Unwetter vorhergesagt wurden.
«Wir sind noch immer im Alarmzustand. Die Vorhersagen sind nicht ermutigend», sagte Italiens Zivilschutzchef Franco Gabrielli am Samstag. In der Hafenstadt sind mehrere Flüsse über die Ufer getreten, Strassen stehen unter Wasser, Häuser wurden evakuiert. Bilder vom Samstag zeigten schwere Zerstörungen.
Ein Erdrutsch machte die Bahnstrecke zwischen Genua und Ovada unpassierbar. Und auch bei den Verbindungen nach Turin und Mailand kam es weiter zu Behinderungen, nachdem am Freitag ein Zug entgleist war. Der Schaden in den betroffenen Gebieten wird auf Hunderte Millionen Euro geschätzt. Am Freitag war ein 57 Jahre alter Mann in den Fluten ums Leben gekommen.
Die Rettungskräfte waren am Samstag weiter im Dauereinsatz. Verstärkung aus benachbarten Regionen war unterwegs. Schulen und öffentliche Gebäude blieben geschlossen.
Kritik vom Bischof
Der Erzbischof von Genua, Angelo Bagnasco, besuchte am Samstag die betroffenen Stadtteile und sprach den Menschen Mut zu. Zuvor hatte er nach eigenen Angaben mit Papst Franziskus telefoniert, der seine Solidarität zum Ausdruck bringen wollte. «Genua hat reagiert, aber das reicht nicht. Es muss mehr getan werden», kritisierte Bagnasco.
Am Freitag war ein Streit über die möglicherweise zu späte Reaktion der Behörden ausgebrochen. «Sicherlich gab es Fehler, das sage ich ohne Umschweife», gab Gabrielli am Samstag zu. «Einige Dinge, die hätten umgesetzt werden können, wurden nicht realisiert, und das war ein Problem.»
Auch Bürgermeister Marco Doria geriet stark unter Druck. Er wies aber Vorwürfe zurück, dass Genua unvorbereitet auf die seit Tagen angekündigten massiven Regenfälle reagiert habe. In einem Ortsteil, der bereits 2011 von folgenschweren Überflutungen heimgesucht worden war, wurden Einsatzkräfte von Bewohnern angegriffen und beschimpft.
«Wilde Zubetonierung»
Als «Schande ohne Ende» bezeichnete die Tageszeitung «Il Fatto Quotidiano» die Lage in Genua, eine Stadt, die in den vergangenen Jahrzehnten Opfer wilder Zubetonierung geworden sei. Die Flussufer seien einzementiert worden.
Umweltschützer beklagten, dass zu wenig für die Stabilisierung der von Erdrutschen bedrohten Region Ligurien ausgegeben werde. 2011 waren bei heftigen Unwettern sechs Menschen ums Leben gekommen.
Die italienische Fussball-Nationalmannschaft sprach den Opfern nach ihrem 2:1-Sieg in der EM-Qualifikation gegen Aserbaidschan ihr Mitgefühl aus. «Wir sind in Gedanken bei diesen Menschen, die dieses Drama durchstehen müssen», erklärte Nationaltrainer Antonio Conte. «Wir sind bereit, alles zu tun, was möglich ist, um ihnen zu helfen.»