Der Nationalrat hält einen neuen Steuerabzug für traditionelle Einverdienerfamilien für das falsche Mittel, um Familien zu stärken. Eine Mehrheit vor allem aus FDP und der Linken äusserte sich am Montag ablehnend gegen die Familieninitiative der SVP.
Die grosse Kammer führte eine hitzige Debatte. Beenden konnte der Rat die Diskussion nicht, da sich über 50 Nationalrätinnen und -räte zum Thema äussern wollen. Die Voten zeigten aber, dass der Rat am Dienstagmorgen wohl Nein sagen wird.
Für die Initiative sprechen sich neben der SVP eine Mehrheit der CVP sowie einzelne FDP-Nationalräte aus. Die FDP-Mehrheit, die BDP und die GLP auf bürgerlicher Seite sowie die SP und Grüne auf linker Seite wollen sie dagegen ablehnen.
Zahlreiche Schlagwörter machten in der Debatte die Runde: So sprachen die Gegner von einer neuen «Herd-Prämien», von «Staatsmüttern» und davon, dass die Initiative die Mütter «zurück an den Herd» befehlen wolle.
Befürworterin Sylvia Flückiger (SVP/AG) rief dagegen, «Mutter sein ist kein Auslaufmodell – und Vater sein auch nicht». Erziehung bleibe eine Aufgabe der Eltern. Die Betreuung werde dennoch mehr und mehr dem Staat zugewiesen, was zu hohen Kosten führe.
Streitpunkt Ungleichbehandlung
Hintergrund der SVP-Initiative ist ein Steuerabzug, den Familien für externe Betreuungskosten ihrer Kinder seit 2011 geltend machen können. Schicken Eltern ihre Kinder in eine Krippe oder lassen sie sie von einer Tagesmutter betreuen, sind steuerliche Abzüge bis zu 10’100 Franken möglich.
In diesem System ortet die SVP eine Ungleichbehandlung von Familien, die ihre Kinder selber betreuen. Die Initiative will in der Verfassung verankern, dass für Eigenbetreuung «ein mindestens gleich hoher Steuerabzug gewährt werden» muss wie für Fremdbetreuung.
Der Abzug soll das Einkommen kompensieren, das einer Familie entgeht, wenn ein Elternteil zu Hause bleibt. Nach der Schaffung des Fremdbetreuungsabzugs sei es nur gerecht, auch für die traditionellen Familien einen Abzug zu schaffen, sagte CVP-Präsident Christophe Darbellay (VS). Die CVP habe ähnliche Modelle in Zug, Luzern und im Wallis unterstützt.
Demgegenüber monieren die Gegner, dass gerade der neue Abzug das Gleichbehandlungsgebot verletze. Familien mit einem Einkommen könnten Abzüge geltend machen, ohne Kosten zu haben, sagte Andrea Caroni (FDP/AR). «Das ist ein Geschenk. Das wäre, wie wenn ein Heimarbeiter Pendlerkosten abziehen könnte.» Diese Sicht teilt auch das Bundesgericht.
Prämie fürs Zuhausebleiben
Gegner und Befürworter betonten, sie wollten niemandem ein Familienmodell vorschreiben. Aus Sicht der Gegner schafft der geforderte Selbstbetreuungsabzug jedoch einen Anreiz für das traditionelle Modell, bei dem die Mutter zu den Kindern schaut und der Vater das Geld heimbringt. Das sei nicht nur schlecht für die Wirtschaft, sondern nehme den Frauen auch die Perspektiven.
«Es ergibt volkswirtschaftlich keinen Sinn, Frauen und Männer gut auszubilden, ihnen dann aber eine Prämie zu bezahlen, damit sie dennoch zu Hause bleiben», sagte Kathrin Bertschy (GLP/BE). «Warum sollen wir Frauen noch ausbilden, wenn sie danach nicht arbeiten sollen?», fragte Maria Bernasconi (SP/GE) rhetorisch.
Die Initiative sei das Gegenmodell zum abgelehnten Familienartikel, stellte Ruth Humbel (CVP/AG) fest. Es solle keine Vereinbarkeit von Beruf und Familie geben. Humbel gehört zur CVP-Minderheit, welche die Initiative ablehnt.
Thomas Aeschi (SVP/ZG) räumte ein, dass bei Annahme der Initiative mehr Familien das traditionelle Familienmodell wählen würde. Damit würden aber auch die von der Allgemeinheit bezahlten Kosten für Krippen und Ähnliches abnehmen.
SP: «Mogelpackung»
Aus Sicht der Linken führt die Initiative zu «Steuergeschenken für Reiche», wie Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) sagte. Von höheren Abzügen profitierten nur Familien, die viel verdienen – nicht aber jene, bei denen das Geld nur mit zwei Einkommen reicht. Für Jacqueline Fehr (SP/ZH) ist die Initiative daher ein «Bschiss».
Ausserdem löse die Initiative die Probleme von Familien nicht, sagte Louis Schelbert (Grüne/LU). Diese litten beispielsweise unter hohen Mieten und hohen Krankenkassenprämien. Nötig seien flexiblere Arbeitszeitmodelle oder Elternurlaub.
Umsetzung ungewiss
Ein Argument gegen die Initiative waren auch die befürchteten Steuerausfälle. Wird der Fremdbetreuungsabzug beibehalten, würde der Bund laut Bundesrat 390 Millionen Franken weniger einnehmen, bei den Kantonen betrügen die Einbussen über eine Milliarde.
Die SVP wies diesen Einwand zurück: Eine Prognose der Einbussen sei gar nicht möglich, da die Initiative nichts über die Höhe des Abzuges aussage, sagte Caspar Baader (SVP/BL). Möglich seien verschiedene Umsetzungen.
Die Gegner machten auch handwerkliche Mängel geltend: Die Initiative kläre nicht, was als Selbstbetreuung gelten und wie mit Betreuung etwa durch die Grosseltern umgegangen werden solle. Das dürfte zu einem bürokratischen Aufwand führen, sagte Prisca Birrer-Heimo (SP/LU) als Kommissionssprecherin.