Am Bezirksgericht Horgen ZH ist am Mittwoch der erste grosse Sexting-Fall der Schweiz verhandelt worden. Der Beschuldigte, ein 22-Jähriger aus dem Kanton Basel-Landschaft, wurde zu 4,5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Strafe wird aber zugunsten einer Massnahme für junge Erwachsene aufgeschoben.
Das Gericht sprach ihn wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung, sexueller Handlungen mit Kindern, teilweise versuchter Nötigung und Pornographie schuldig, alles mehrfach.
Der Richter bezeichnete den Fall als «Lehrstück über die Gefahren des Internets». Er rechnee damit, dass er in den kommenden Jahren immer wieder solche Geschichten auf seinem Pult haben werde. Viele Junge seien sich der Gefahren beim Bilder verschicken nicht bewusst und kämen aus der Erpressungs-Spirale dann nicht wieder heraus.
So war es auch im vorliegenden Fall: Der Beschuldigte hatte von mehreren Mädchen Hunderte von Nacktbildern und Videos erpresst. Seinen Opfern, die er in Chats kennenlernte, drohte er jeweils damit, die Bilder zu veröffentlichen. Gleichzeitig versprach er ihnen, die Aufnahmen zu löschen, wenn sie ihm noch ein letztes Mal neue schickten.
Sein Versprechen hielt er nie ein. Stattdessen steigerte sich sein Appetit. Eine 15-jährige Sekundarschülerin, die Hauptgeschädigte, musste ihm 700 Nacktbilder und rund 100 Videos schicken. Fast täglich verlangte er neues Material, forderte dabei immer explizitere Aufnahmen ihrer Geschlechtsteile und gab per Whatsapp Anweisungen, was sie mit sich anzustellen habe. Rund 100 Mal nötigte er sie auch zu Telefonsex.
Verhaftung im Mai 2013
Zwei Mal traf sich das verzweifelte Mädchen, das bis dahin Jungfrau war, zum Geschlechtsverkehr mit dem Beschuldigten – immer in der vergeblichen Hoffnung, dass er die Aufnahmen danach lösche.
Der junge Mann spielte dasselbe Spiel noch mit zwei anderen Mädchen. Eines hegte Selbstmordgedanken, um der Situation zu entkommen. Das zweite Mädchen drohte ihm mit der Polizei und schaffte es schliesslich, den Kontakt abzubrechen.
Ans Licht kam der Sexting-Fall nur, weil der Freund der 15-Jährigen die Nöte des Mädchens bemerkte. Im Mai 2013 wurde der Beschuldigte verhaftet. Seither sitzt er im vorzeitigen Strafvollzug, zuerst in der Strafanstalt Pöschwies ZH, jetzt im Arxhof, einem Massnahmenzentrum für junge Erwachsene im Kanton Basel-Landschaft.
Dort wird er auch die kommenden Jahre verbringen, sofern er sich kooperativ zeigt. Falls nicht, wird die Freiheitsstrafe im Gefängnis vollzogen. Der Verurteilte versprach während des Prozesses, dass er an sich arbeiten werde. «Es tut mir leid.» Der Hauptgeschädigten muss er 25’000 Franken Genugtuung zahlen.
Staatsanwalt will höhere Strafe
Strafmildernd wirkte sich sein Verhalten nach der Tat aus: Er legt schon in der ersten Befragung ein Geständnis ab, wies nur den Vorwurf der Vergewaltigung von sich. Schliesslich habe er keine Gewalt angewendet. Das Gericht entschied aber, auch psychischen Druck als Kennzeichen einer Vergewaltigung anzuerkennen, wie es auch im Gesetz verankert ist.
Der Staatsanwalt kündigte bereits an, das Urteil ans Obergericht weiterzuziehen. Ihm ist die Strafe von 4,5 Jahren zu tief. Er verlangt eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren.
Das Hauptopfer, heute 17 Jahre alt, verdrängt die Vorfälle bis heute, vor allem aus Scham. Eine Therapie macht die Jugendliche nicht. Gemäss ihrer Anwältin fürchtet sie aber bereits jetzt den Zeitpunkt, an dem der Beschuldigte entlassen wird. Keines der drei Opfer nahm am Prozess teil.