Erste amtliche Auszählungsergebnisse der Wahl in Tunesien untermauern den Sieg der lange verbotenen islamischen Ennahda-Partei. Nach Angaben der Wahlkommission vom Dienstag gewann die Bewegung 18 der bislang feststehenden 39 inländischen Mandate.
Im Laufe des Tages veröffentlichte Ergebnisse aus einzelnen Wahlkreisen sahen die Partei von Rachid Ghannouchi nahezu ausnahmslos als stärkste politische Kraft. Von den in der Schweiz lebenden und an den Wahlen teilnehmenden Tunesier gaben der Ennahda gar 34 Prozent ihre Stimme, wie am Dienstagabend vom Büro der tunesischen Wahlkommission in der Schweiz (ISE) zu erfahren war.
Insgesamt hat die Ennahda damit 27 der 57 ausgezählten Sitze gewonnen. Bereits am Montag wurde bekannt gegeben, dass sie neun der 18 für im Ausland lebende Tunesier reservierte Sitze in der 217 Mitglieder umfassenden verfassunggebenden Versammlung gewonnen hat.
Nächststärkster Konkurrent ist die Partei Kongress für die Republik, die bislang zehn Vertreter entsenden darf.
Das vorläufige offizielle Endergebnis sollte in der Nacht auf Mittwoch veröffentlicht werden.
Nach Angaben des deutschen Islamwissenschaftlers Mathias Rohe gibt es keine Anzeichen für einen künftigen Gottesstaat in Tunesien. Er könne sich nicht vorstellen, dass ein strikter Scharia-Islamismus in einer vergleichsweise liberalen Gesellschaft wie der tunesischen durchsetzbar sei, sagte der Jurist und Direktor des Erlanger Zentrums für Islam und Recht in Europa im Deutschlandradio Kultur.
Nur noch Teile der Scharia
Strafrechtliche Bestimmungen des islamischen Rechts Scharia bestehen in Tunesien seit Jahrhunderten nicht mehr. Und seit 1956 gibt es ein säkulares Familienrecht, die Polygamie ist seither abgeschafft. Frauen sind heute ausser beim Erbrecht den Männern gleichgestellt.
„Die Ennahda hat keine Chance, ihre eigenen Regeln in die neue Verfassung hineinzudiktieren“, sagte der tunesische Historiker Faisal Cherif. Dazu messe die tunesische Gesellschaft „bestimmten Prinzipien“ wie der Gleichstellung von Männern und Frauen sowie der Trennung von Religion und Staat eine zu hohe Bedeutung bei.
Ähnlich sieht es Pierre Vermeren, Nordafrikaexperte in Paris. Mit bis zu 30 Prozent der Stimmen seien zudem auch liberale, linke und säkulare Parteien „eine starke Kraft“ in der verfassunggebenden Versammlung.
Für die 217 Sitze in der Versammlung kandidierten insgesamt 11’618 Bewerber. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte den Wahlverlauf gelobt.