Nach fast einwöchigem erbittertem Machtkampf ist der Wechsel an der Siemens-Spitze perfekt: Der Verwaltungsrat wählte am Mittwoch einstimmig den bisherigen Finanzchef Joe Kaeser zum Nachfolger des in Ungnade gefallenen Peter Löscher.
Kaeser kündigte daraufhin an, dem Münchener Technologiekonzern nach Löschers Pannenserie wieder zu altem Glanz zu verhelfen. Siemens sei kein Sanierungsfall. «Wir haben uns zuletzt aber zu viel mit uns selbst beschäftigt und etwas die Ertragsdynamik gegenüber dem Wettbewerb verloren», sagte der neue Chef, der sein Amt bereits am (morgigen) Donnerstag antreten soll.
«Mein Ziel ist es, Siemens in ein ruhiges Fahrwasser zurückzuführen und ein Hochleistungsteam zu formen», erklärte er weiter. Im Herbst werde das «Team Siemens» eine überarbeitete Version von Löschers Renditeprogramm vorstellen und eine Vision für den Konzern entwerfen.
Gewinnwarnungen brachten Löscher zu Fall
Der Führungswechsel galt als ausgemachte Sache, nachdem sich die Verwaltungsräte von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite bereits am vergangenen Wochenende mehrheitlich auf den Wechsel geeinigt hatten. Löscher hatte immer wieder mit Pannen zu kämpfen, wie etwa der verspäteten Lieferung von ICE-Zügen an die Deutsche Bahn oder Verzögerungen bei der Anbindung von Windparks auf hoher See.
Endgültig zu Fall brachte den 55-jährigen Österreicher aber am vergangenen Donnerstag die zweite Gewinnwarnung innerhalb von drei Monaten, die gleichzeitig die sechste innerhalb von sechs Jahren war. So mussten die Margenziele für 2014 über den Haufen geworfen werden.
Ackermann gegen Löschers Abgang
Die Entscheidung, dem Verwaltungsrat die Auflösung seines bis 2017 laufenden Vertrags anzubieten, sei ihm schwer gefallen, erklärte Löscher. Er danke besonders der Familie Siemens und denjenigen Mitarbeitern und Mitgliedern des obersten Gremiums, die ihn auch zuletzt ausdrücklich unterstützt «und sich meinen Verbleib an der Spitze des Unternehmens gewünscht haben».
Damit meinte er allem voran den Schweizer Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Allianz-Chef Michael Diekmann und die Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller. Alle drei hatten sich im Vorfeld der Abstimmung gegen Löschers Ablösung ausgesprochen. Sie störten sich an der Art und Weise, wie er aus dem Konzern hinausgedrängt wurde.
Verwaltungsratspräsident Gerhard Cromme, der Löscher im Jahr 2007 als Korruptionsbekämpfer zu Siemens geholt hatte, hatte seinen Schützling abrupt fallen lassen.
Arbeitnehmer fordern Perspektive
Der 56-jährige Kaeser stammt aus Niederbayern und ist seit vielen Jahren bei Siemens tätig. Die Verwaltungsratsvertreter der Gewerkschaft IG Metall forderten von ihm, Siemens müsse jetzt Innovation und Qualifikation statt Rendite in den Mittelpunkt stellen.
Die Beschäftigten ihrerseits verlangten vom neuen Chef ein Bekenntnis zur Mitbestimmung und ein Ende der Personalquerelen. Es gehe schliesslich nicht um Einzelpersonen und Interessen, sondern um das Wohl des Konzerns und seiner Mitarbeiter und eine langfristige und kreative Unternehmensperspektive.