«Sils Maria»: Ein wolkiges Beziehungsdrama

Zu spröde kommt Olivier Assayas «Clouds of Sils Maria» daher – da kann auch Hauptdarstellerin Juliette Binoche nichts retten. Wie eine Schlange schleicht sich ein Wolkenband vom Maloja ins Engadin. Ebenso langsam bewölkt sich der Beziehungshimmel über Maria Enders, gespielt von Juliette Binoche. Sie will die Rolle, auf die sie sich vorbereitet, eigentlich gar nicht […]

Juliette Binoche vor Schweizer Kulisse: Empfang in Zürich.

Zu spröde kommt Olivier Assayas «Clouds of Sils Maria» daher – da kann auch Hauptdarstellerin Juliette Binoche nichts retten.

Wie eine Schlange schleicht sich ein Wolkenband vom Maloja ins Engadin. Ebenso langsam bewölkt sich der Beziehungshimmel über Maria Enders, gespielt von Juliette Binoche. Sie will die Rolle, auf die sie sich vorbereitet, eigentlich gar nicht spielen.

Mit achtzehn hat Maria Enders als «Sigrid» einen grossen Erfolg auf der Bühne gefeiert: Heute ist sie ein internationaler Star und soll in Zürich den Preis für den Regisseur von damals entgegennehmen. Hofiert wird sie kurz auch vom Zürcher Stadtpräsidenten Gilles Tschudi.

Sie zieht sich nach Sils Maria zurück, um sich erneut mit «Sigrid» auseinanderzusetzen. Damals, vor 20 Jahren, spielte sie in der Originalfassung noch ein fulminantes Debüt als erotische Naive, heute muss sie im Remake die Rolle ihrer damaligen Gegenspielerin übernehmen. Der Rückblick auf schwierige Beziehungen beginnt.

Ein sublimes Making-of einer Theaterrolle

Die junge und naive Maria spielte eine naseweise Lolita, die auf der Bühne ihre zwanzig Jahre älteren Partnerin in ein erotisches Spiel verstrickte (und wohl auch den Regisseur). Jetzt muss sie sich noch einmal mit der tragischen Liebes-Beziehung der beiden Frauen beschäftigen – und dazu mit ihrem Alter. Zwanzig Jahre sind nicht spurlos an ihr vorübergegegangen. Auch die Geschichte des Scripts hat Patina angesetzt. Selbst die Welt um die beiden Frauen herum hat sich verändert. Lebensalter und Frauenliebe stehen in einem neuen Zusammenhang. Der Regisseur, der seine Lolita damals entdeckt hatte, erscheint ebenfalls in einem neuen Licht.

Bleibt blass: Kristen Stewart als Assistentin.

Bleibt blass: Kristen Stewart als Assistentin. (Bild: ©filmcoopi)

Juliette Binoche gibt in «Die Wolken von Sils Maria» Einblicke in die Arbeit einer Schauspielerin an der Rolle und an sich selbst. Sie übt mit ihrer Assistentin. Sie lernt mehr als nur Text mit ihr auswendig. Sie sucht nach der Interpretation der Gegenseite und immer deutlicher gleitet die junge Assistentin in die Rolle des berechnenden Doubles.

Zwanzig Jahre Beziehungsform

Eine Schauspielerin zeigt, wie eine Schauspielerin arbeitet. Es ist ein beliebtes Thema in diesen Tagen, in denen Selbstdarstellung die Wirklichkeit prägt. Maria zieht als Schauspielerin alles, was sie aus der Verliebtheit ihrer Assistentin ziehen kann, in die Vorbereitung für die Rolle. Als es endlich zum Eklat kommt, ist der Film fast vorbei, auf den wir eigentlich vorbereitet werden: Da haben wir fast zwei Stunden lang einer Schauspielerin zugeschaut, die spielt, wie sie ihre Rolle spielen wird.

Binoche kommt in der Tat mit jeder Einstellung ihrer Figur näher. Aber was für die Schauspielerin tatsächlich sehr spannend ist, ist für uns doch eher träge. Hätte sie in der jungen Gegenspielerin eine gefährliche Lolita, so fände die Binoche in ihrem eigenen Gegenpart zu ganz grosser Form.

Aber Valentine (Kristen Stewart) ist zu blass, bleibt spröde, geheimnislos. Die Stewart spielt ihre Figur als Textlieferantin – als Assistentin eben. So entsteht nie das erotische Geflecht, das uns im Film dann erwarten soll, von dem aber unablässig die Rede ist. Zu kurz ist die Präsenz der neuen Lolita (Chloë Grace Moretz).

So bleiben die Dialoge spröd wie ein Dramaturginnenkongress. Kluge Sätze über Figuren verpuffen in gewaltiger Landschaft, gekichert wird nicht aus Verlegenheit, geredet wird meist über andere. Nur wenn Alkohol mitspielt, keimt etwas Temperament auf. Man trinkt aber wenig.

_
Der Film läuft zur Zeit in den Kult-Kinos.

Nächster Artikel