Magische Momente haben tausende Touristen und Einheimische am Freitag im Appenzellerland erlebt. Traditionelle Chlausen-Schuppel feierten den alten Silvester und brachten das Tal am Fuss des Säntis zum Klingen.
In Urnäsch, Herisau, Hundwil, Stein, Waldstatt, Schwellbrunn und Schönengrund endet das Jahr zweimal, am 31. Dezember und am 13. Januar. Während die Chlausen-Schuppel am Jahresende vor allem in den Dörfern zu sehen sind, ziehen sie am alten Silvester von Hof zu Hof.
Wer die Silvesterchläuse sehen will, muss gut zu Fuss sein – und schnell. Die bunt gewandeten Schuppel eilen von früh bis spät von Hügel zu Hof. Nur kurz bleiben die „Schöne“, „Wüeschte“ und die „Schöwüeschte“ stehen, tänzeln einige Schritte vor und zurück und schütteln ihre 20 bis 30 Kilo schweren Glocken und Schellen.
Dann ziehen die Gruppen weiter, voran der „Vorrolli“, in der Mitte die „Schelli“ und am Schluss der „Noerolli“ (Nachrolli). Vor einem Haus stellen sie sich auf, schellen und rollen und stimmen ein „Zäuerli“ an. Das wiederholt sich üblicherweise auf jedem Hof dreimal.
Besuch ist eine Ehre
Keines der teilweise abgelegenen Häuser im Urnäsch-Tal wird vergessen. „Der Besuch eines Schuppel ist für uns eine grosse Ehre“, sagt eine betagte Bewohnerin eines traditionellen Bauernhofs und begrüsst die sechs schönen Chläuse herzlich.
Zwei sind sogenannte Rollenweiber. Sie tragen 13 Rollen (Schellen) auf Brust und Rücken, Frauenmasken und eine samtene Tracht mit weissen Strümpfen. Nur die derben Schuhe und grossen Hände verraten, dass sich unter ihrer „Groscht“ Männer verbergen.
Die vier Schellenchläuse haben auf dem Rücken und der Brust eine Senntumsschelle. Auf dem Kopf tragen die „Schönen“ Hüte oder Hauben, reich verziert mit Szenen aus dem Appenzeller Brauchtum. Die sechs stellen sich im Kreis auf und stimmen ein „Zäuerli“ an. Ihre feierlichen Jodel-Stimmen verzaubern Hausbewohner ebenso wie Zaungäste.
Brauch für Einheimische
Die Touristen stehen nicht im Mittelpunkt des traditionellen Silvesterchlausens. Die Chläuse singen für die Einheimischen, halten einen Schwatz, wünschen ein gutes neues Jahr und stecken den oft üppigen „Batzen“ ein, den ihnen die Hausbewohner in die Hand drücken.
Die Besucher werden geduldet und dürfen die magischen Momente miterleben. Für die Kameras posieren die Chläuse in ihrer bunten, manchmal auch furchterregenden „Groscht“ aber nicht. Immerhin stehen für die teilweise weit angereisten Besucher Verpflegungsstände am Strassenrand, in allen Restaurants herrscht Hochbetrieb.
Einen Plan, wann wo welche Schuppel zu sehen sind, kann das Tourismus-Büro in Urnäsch nicht liefern. „Folgen Sie einfach dem Klang der Schellen“, empfiehlt die Dame am Informations-Stand einer mit dem Bus angereisten Touristen-Gruppe aus Deutschland.