Eine mit Spannung erwartete Sitzung des UNO-Sicherheitsrats ist am Mittwoch ohne Beratungen über eine vorgeschlagene Syrien-Resolution zu Ende gegangen. Das Gremium beriet bei dem Treffen nur über den offiziellen Tagesordnungspunkt, den UNO-Einsatz in Haiti.
Grossbritannien hatte zuvor angekündigt, den Entwurf für eine Resolution einzureichen, der «alle notwendige Massnahmen zum Schutz von Zivilisten vor Chemiewaffen» in Syrien erlaubt. Das würde Luftangriffe einschliessen. Die fünf Veto-Mächte des Sicherheitsrats hatten sich vor der Sitzung in New York separat getroffen und über Syrien gesprochen.
Der 15 Mitglieder umfassende UNO-Sicherheitsrat hatte im März 2011 eine Resolution beschlossen, die militärische Massnahmen zum Schutz von Zivilisten in Libyen erlaubte. Eine internationale Koalition unter Führung Grossbritanniens und Frankreichs hatte dies zu Angriffen auf die Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi genutzt und damit den Sieg der Aufständischen ermöglicht.
Russland hatte sich bei der Abstimmung über die Resolution damals enthalten und später dem Westen vorgeworfen, das UNO-Mandat überschritten zu haben.
«Fiktive Vorwände»
Der syrische Ministerpräsident Wael al-Halki warf dem Westen vor, «fiktive Vorwände» für ein militärisches Eingreifen in Syrien zu fabrizieren. Wie das Staatsfernsehen berichtete, warnte er zudem den Westen, Syrien werde die Angreifer wie bereits im israelisch-arabischen Krieg 1973 überraschen und «zum Friedhof der Invasoren» werden.
Der Westen verdächtigt die syrische Regierung, vergangene Woche bei Damaskus Chemiewaffen eingesetzt und damit hunderte Menschen getötet zu haben. Die Regierung weist diese Vorwürfe zurück.
Hamsterkäufe in Damaskus
Mit dem möglichen Angriff des Westens auf die syrische Führung beginnt für die Bewohner der Hauptstadt ein Wettlauf gegen die Zeit. Viele Einwohner von Damaskus decken sich mit dem Nötigsten ein, weil sie bei einem Militärschlag Versorgungsengpässe fürchten.
Batterien, Trinkwasser, Brot und Konserven gehören zu den Vorräten, die die Menschen in der Metropole anlegen, wo viele militärische Einrichtungen mitten in Wohngebieten liegen. An Geldautomaten bildeten sich am Mittwoch lange Schlagen.
Die Menschen hätten schon länger Lebensmittel gehortet, sagte ein Bewohner am Telefon. Aber jetzt kauften sie besonders grosse Mengen. Die Angst stehe ihnen ins Gesicht geschrieben.
Viele Bewohner von Damaskus belassen es deshalb nicht bei Hamsterkäufen, sondern schmieden Fluchtpläne. Vor allem in Vororten, in denen es besonders viele Militäreinrichtungen und Waffenlager der Regierungstruppen gibt, packen die Menschen ihre Habseligkeiten und suchen nach Unterkünften in sichereren Wohngebieten.
Es werde aber immer schwerer, Wohnungen und Häuser zur Miete zu finden, sagten Bewohner. Manche fänden Unterschlupf bei Freunden, die Damaskus schon früher den Rücken gekehrt hätten. Andere hätten weniger Glück.
UNO-Experten suchen weiter
Das UNO-Expertenteam in Syrien setzte am Mittwoch nach eintägigem Unterbruch seine Suche nach Beweisen für den mutmasslichen Chemiewaffen-Angriff von vergangener Woche fort. Die Inspektoren waren in Samalka unterwegs, einer Rebellenhochburg im Bezirk Al-Ghuta Al-Scharkija. Ergebnisse gab es noch keine.
Der Syrienbeauftragte von UNO und Arabischer Liga, Lakhdar Brahimi, sprach in Genf aber von Anzeichen für den Einsatz chemischer Kampfstoffe. Bei den Angriffen sei eine «gewisse Substanz» verwendet worden. Details nannte er nicht.
UNO-Generalsekretär Ban sagte, die Experten bräuchten noch vier weitere Tage Zeit. Gleichzeitig warnte er vor einem voreiligen Eingreifen. Der UNO-Sicherheitsrat müsse seine politische Verantwortung behalten.