Der Organspendeskandal im deutschen Göttingen weitet sich aus. Die Staatsanwaltschaft der Stadt leitete gegen zwei Mediziner Ermittlungen wegen Tötungsdelikten ein, wie Behördensprecher Andreas Buick am Donnerstag mitteilte.
Gleichzeitig gab die Göttinger Universitätsklinik in Niedersachsen bekannt, dass der Leiter der Abteilung Gastroenterologie „bis auf Weiteres“ freigestellt wurde.
An der Klinik sollen in 23 Fällen Gesundheitsdaten gefälscht worden sein, um bestimmten Leberpatienten eine schnellere Transplantation zu ermöglichen. Im Mittelpunkt des Skandals steht der frühere Leiter der Transplantationschirurgie, der bereits vergangene Woche freigestellt worden war.
Neue Leber gegen Geld
Gegen den Oberarzt waren bereits im Frühsommer Vorwürfe laut geworden. Darin ging es zunächst nur um einen Fall: Der 45-Jährige soll 2011 einen Patienten aus Russland gegen Geld bei einer Lebertransplantation bevorzugt haben.
In der vergangenen Woche hatte die Spitalleitung die weiteren Verdachtsfälle bestätigt. Der Arzt, gegen den auch wegen Korruption ermittelt wird, bestreitet die Vorwürfe.
Nach Angaben der Klinik haben zunächst eigene Ermittlungen zum „sich erhärtenden Verdacht“ geführt, dass ein weiterer Arzt, der Leiter der Gastroenterologe, an den Fälschungen beteiligt gewesen sein oder eigenverantwortlich solche Manipulationen vorgenommen haben könnte.
Tod anderer Patienten in Kauf genommen
Der Staatsanwaltschaft zufolge war dieser Arzt mit Voruntersuchungen der Patienten zur Organtransplantation befasst. Er habe damit Einfluss auf den sogenannten MELD-Score der Stiftung Eurotransplant gehabt, der den Schweregrad einer Lebererkrankung angibt. Die Stiftung verteilt nach einem festgelegten Kriterienkatalog Spenderorgane an Patienten in acht Ländern.
Die Staatsanwaltschaft prüfe nun, ob die Ärzte durch Datenfälschungen für einen unberechtigt hohen MELD-Score verantwortlich seien, sagte Buick. Geprüft werde auch, ob dies dazu geführt habe, dass andere Patienten nicht rechtzeitig eine Spenderleber erhalten hätten und deshalb gestorben seien.
Mauscheleien bereits an anderer Klinik
Vor Göttingen arbeitete der Hauptverdächtige in Regensburg in Bayern. Bereits 2005 soll er dort für Missstände bei Transplantationen gesorgt haben. Es seien jordanische Patienten verbotenerweise auf eine Warteliste für europäische Transplantations-Patienten gesetzt worden, sagte die Sprecherin der Regensburger Klinik, Cordula Heinrich, am Donnerstag.
Ausserdem sei eine Leber in Jordanien transplantiert worden, sagte die Sprecherin, die einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ bestätigte. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Untersuchungen damals aber eingestellt; der Mann wechselte nach Göttingen.