Zum Erfolg des Poetry Slam gehört es, dass er von anderen Sparten importiert wird – zum Beispiel vom Historischen Museum Basel. Funktioniert das?
Poetry Slam funktioniert entwaffnend gut. Der Slam Basel im SUD ist Monat für Monat ausverkauft. Vergangenen Freitag hatten 40 Meter Schlange vor der Kasse kehrt zu machen und einen angebrochenen Abend an der Backe. Wer Slam will, muss früher aufstehen. Als Begleiterscheinung seines Ruhms wird das Format in andere Umfelder überführt, zum Beispiel in Museen. Dorthin können die Leute für den Slam kommen und nebenbei feststellen, dass sie unversehens in einer tollen Ausstellung gelandet sind.
Und genau das war am 30. Januar der Fall. Gute Güte, was liegen da unterm Barfi für Schätze, wo das Historische Museum eine Ausstellung über Burgen und Ritter am Laufen hat. Umgekehrt ist es kein Wunder, dass ausgerechnet die Slammer ins Museum geholt werden. Egal, wer im Publikum sitzt, jeder im Alter von sechs bis 99 wird garantiert von einem der Kombattanten erreicht. Denn Slammer sind zugleich jung und gedankenaffin, verrucht und Menschen des geschriebenen Worts.
Alle mögen Slam. Aber funktioniert das Format auch überall?
Die Moderatorin Daniela Dill hatte keinen leichten Stand, im ehemaligen Kirchenschiff des Historischen Museums bei viel Hall Stimmung zu machen. Das Publikum war zwar durchmischt, aber im Schnitt doch 30 Jahre älter als bei anderen Slams. Da hätte sie mehr Dampf als Charme geben müssen. Zumal, als sie der minderjährigen Slammerin Sarah Altenaichinger für den Fall ihres Sieges statt Whisky einen alkoholfreien Champagner in Aussicht stellen musste – der Slam wurde von der Stadt Basel organisiert, da ist natürlich korrekte Zone. Doch die Herrschaften kamen ihr entgegen. Sie hatten sich für diesen Abend hörbar auf Ulkigkeit eingestellt. Irgendwie cheesy. Irgendwie trotzdem gut.
Reden über Adam und Eva
Dann wandelten wir durch die Ausstellung zum ersten Exponat, zu dem sich die Slammer entschieden hatten, einen Text zu verfassen: Eine hölzerne Darstellung von Adam und Eva, entstanden 1505 in Freiburg im Breisgau. Echt gut, was das alles freisetzt. Top war der Kalauer des späteren Siegers Remo Zumstein (man muss es sich auf berndeutsch vorstellen): «Wo wir schon von der Bibel sprechen: Was haben Johannes und Untergeschosse gemeinsam? Beide sind täufer.» Simon Libsig fühlte sich zu einer Gegenwartsmelancholie inspiriert à la «sagt Adam zu Eva: War früher nicht alles besser?» Gedanklich eher romantisch, aber darum geht’s auch gar nicht, sondern um Blüten wie diese: «Früher war alles einfach, Apfel, Schlange, Gott, heute stehen wir Schlange vorm Apple-Shop.» Hinreissend.
Vielleicht lag’s an den Exponaten und am Ort (im Anschluss versammelte man sich um einen Januskopf aus dem ersten Jahrhundert nach Christus): Der Abend brachte viele Texte hervor, die nicht darüber funktionieren, dass die vorige Pointe noch verklingt, während schon die nächste hereinbricht. Besonders bei Christoph Simon aus Bern, der von Dill als «der Antislammer» eingeführt wurde – er hat die 40 Jahre schon geknackt und schrieb längst Bücher, bevor er vor nicht langer Zeit das Slammen begann.
Rausschmiss per Durchsage
Bezeichnenderweise ist der Reporter nicht imstande, Simon zu zitieren. Er will halt auch von süffigem Sprachwitz gewogen werden. Aber Simon ist toll. Scharf, runtergefahren, elegant. In die nächste Runde kam er leider nicht, sehr wohl aber Sarah Altenaichinger, die, teils zwar recht kitschig, ebenfalls der Nachdenklichkeit das Wort redete.
Wir johlten nicht im Historischen Museum. Aber wir mussten auch nicht. Könnte sein, dass beim Poetry Slam mit seiner Ausbreitung auch ein zunehmend breites Spektrum von Texten ins Finale kommt. Eine abschliessende Reviermarkierung liess sich das Historische Museum dabei nicht nehmen: Rausgeworfen wurden wir um Viertel vor zehn mit einer abgespielten Durchsage. «Verehrte Damen und Herren. Das Museum schliesst in 15 Minuten…»
Weitere Museums-Slams: 27. Februar im Anatomischen Museum, 27. März im Antikenmuseum, je 19:30 Uhr.