Drei Jahre nach Einführung des Euro-Mindestkurses ist ein Ausstieg weiterhin nicht in Sicht. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) zeigt sich vielmehr vorbereitet für mögliche weitere Sondereingriffe, denn das Umfeld sei wieder schwieriger geworden.
Die Wirtschaftsaussichten hätten sich spürbar verschlechtert und die Deflationsrisiken seien gestiegen, erklärte die SNB am Donnerstag in ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung. Sie senkte daher die Prognose für das Wachstum des Schweizer Bruttoinlandproduktes (BIP) im laufenden Jahr auf «knapp 1,5 Prozent».
Im Juni bei der letzten Quartalssitzung zur Geldpolitik war die SNB noch von einem Wachstum von rund 2 Prozent ausgegangen. Doch dann fielen die BIP-Zahlen zum zweiten Quartal laut SNB mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von -0,2 Prozent deutlich unter den Erwartungen aus.
Zudem verschlechterte sich seither das internationale Umfeld. So entwickelte sich die Konjunktur in den grossen Mitgliedsländern der Eurozone wesentlich schwächer als erwartet und die Teuerung fiel erneut sehr tief aus. Auch in den aufstrebenden Volkswirtschaften war das Wachstum vielerorts kraftlos, wie die SNB festhielt.
Die Nationalbank nimmt daher für die kommenden Quartale eine schwächere Belebung der Weltwirtschaft an als bisher. Die geopolitischen Spannungen könnten das Vertrauen der Unternehmen und Konsumenten zusätzlich belasten, hiess es weiter.
«Unverzüglich» weitere Massnahmen möglich
Eine Zinswende bleibt damit in der Schweiz in weiter Ferne, nachdem selbst die US-Notenbank noch für «geraume Zeit» an ihrer Nullzinspolitik festhält. Entsprechend belässt die SNB das Zielband für ihren Leitzins erwartungsgemäss bei 0 bis 0,25 Prozent. Am Donnerstag lag der massgebliche Dreimonats-Libor bei 0,007 Prozent, womit sich Banken bei der SNB praktisch zinslos Geld leihen können.
Daher bleibt für die Schweizer Währungshüter der Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken «das zentrale Instrument, um eine unerwünschte Verschärfung der monetären Rahmenbedingungen zu verhindern». Die SNB will die Untergrenze mit aller Konsequenz durchsetzen und dazu nötigenfalls unbeschränkt Devisen kaufen.
«Bei Bedarf wird sie unverzüglich weitere Massnahmen ergreifen», erklärte die SNB. Neu ist der Hinweis auf «unverzüglich», nachdem einige Marktakteure auf zusätzliche Massnahmen spekuliert hatten, da sich der Euro in den letzten Wochen wieder dem Mindestkurs genähert hat.
Zu den denkbaren «weiteren Massnahmen» zähle alles mögliche. «Wir haben insbesondere auch die Einführung von negativen Zinsen nicht ausgeschlossen», sagte SNB-Präsident Thomas Jordan in einem Interview mit Fernsehen SRF. Er bekräftigte damit frühere Angaben. Eine entsprechende Äusserung eines Mitglieds des SNB-Direktoriums hatte den Euro-Franken-Kurs letzte Woche allerdings abgeschwächt.
Wieder unter 1,21
In Reaktion auf den Zinsentscheid fiel der Euro wieder unter die Marke von 1,21 Franken: Wurden zuvor im Devisenhandel noch etwa 1,2115 Fr. für einen Euro bezahlt, sackte die Gemeinschaftswährung auf bis 1,2066 Fr. ab. Am frühen Nachmittag notierte der Euro bei 1,2080 Franken.
Vor allem die Eskalation in der Ostukraine und die überraschende Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) hatten den Franken in den letzten Wochen aufgewertet. Interventionen der SNB im Devisenhandel seien dennoch keine notwendig gewesen, erklärte Jordan. Der Mindestkurs sei glaubwürdig am Markt.
Trotz der maximal geöffneten Geldschleusen herrscht laut SNB auf absehbare Zeit keine Inflationsgefahr. Vielmehr hätten die Deflationsrisiken wieder zugenommen. So veranschlagt die SNB die Teuerung im laufenden Jahr unverändert auf 0,1 Prozent. Für 2015 liegt die neue Prognose mit 0,2 Prozent um 0,1 Prozentpunkte und für 2016 mit 0,5 Prozent sogar um 0,4 Prozentpunkte tiefer als im Juni.