Eine Auslieferung an die USA würde den früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden nach eigener Einschätzung in Lebensgefahr bringen. In seinem Heimatland drohten ihm «lebenslange Haft oder sogar der Tod», schrieb der von den USA gesuchte IT-Spezialist in seinem Asylgesuch an Polen.
Er laufe Gefahr, von der US-Regierung verfolgt zu werden, nachdem er sich dazu entschieden habe, «die schwerwiegenden Verstösse gegen die Verfassung öffentlich zu machen», schrieb Snowden in seinem Asylantrag an den polnischen Aussenminister, der am Dienstag von der polnischen Presse veröffentlicht wurde.
Mit einem gerechten Prozess oder einer angemessenen Behandlung vor einem Gerichtsverfahren könne er nicht rechnen, schrieb er weiter. Der Informant hatte kürzlich gross angelegte Ausspähprogramme von Geheimdiensten in den USA und Grossbritannien publik gemacht und ist seitdem auf der Flucht vor den US-Behörden.
Seit über einer Woche ist der 30-Jährige im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo gestrandet. Er kann den Transitbereich des Flughafens ohne russisches Visum nicht verlassen. Die USA hatten Snowdens Pass für ungültig erklärt.
Asylgesuche in rund 20 Ländern
Nach Angaben der Enthüllungsplattform Wikileaks beantragte Snowden in 21 Ländern Asyl, darunter der Schweiz. Wikileaks zufolge wurden Schreiben mit einem Asylbegehren Snowdens auf dem Flughafen an einen russischen Offiziellen übergeben, der die Schriftstücke dann an die jeweiligen Botschaften weitergereicht habe.
Die Schweiz hat aber bislang keine Kenntnis von einem Asylantrag des US-Informanten. Es sei kein Gesuch eingegangen, sagte Céline Kohlprath, Sprecherin des Bundesamtes für Migration (BFM), am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Nach geltendem Schweizer Recht kann ein Asylantrag nur direkt im Land oder an der Grenze gestellt werden.
Aussenminister Didier Burkhalter sagte am Rande eines Treffens der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Wien: «Wenn es einen Asylantrag gibt in der Schweiz, dann wird dieser studiert.» Der Antrag würde genauso wie andere behandelt.
Zahlreiche Staaten lehnen ab
Die meisten Staaten reagierten zurückhaltend. Finnland, Irland, Norwegen, Österreich, Polen und Spanien verwiesen darauf, dass ein Asylantrag auf ihrem Boden gestellt werden müsse. Auch Ecuador, wo Snowden nach seiner Flucht aus Hongkong Asyl beantragt hat, rückt mittlerweile von ihm ab. Klare Absagen gab es aus Brasilien und Indien.
Auch Deutschland lehnte das Aufnahmegesuch Snowdens ab. «Die Voraussetzungen für eine Aufnahme liegen nicht vor», teilten das Aussen- und das Inneniministerium in Berlin mit. Aus mehreren anderen Ländern, darunter China, Island, Italien, Kuba, Nicaragua und den Niederlanden, lag noch keine Stellungnahme vor.
Seinen Asylantrag in Russland zog Snowden nach russischen Angaben zurück. Er habe seine Meinung geändert, nachdem Präsident Wladimir Putin ihn aufgefordert habe, seine anti-amerikanischen Tätigkeiten einzustellen, sagte ein Sprecher Putins.