Amerikanische und britische Geheimdienste sollen Hersteller von SIM-Karten ausspioniert und Schlüsselcodes für die Handy-Karten abgefangen haben. Mit den Verschlüsselungscodes können sie die Kommunikation der Nutzer überwachen.
Die NSA und ihr britischer Gegenpart GCHQ sollen in grossem Stil Verschlüsselungscodes für SIM-Karten gestohlen haben. Die Geheimdienste hätten dabei vor allem den weltweit führenden Kartenhersteller Gemalto aus den Niederlanden attackiert, berichtete die Enthüllungswebsite «The Intercept» am Donnerstagabend.
Den geheimen Unterlagen aus den Beständen des Whistleblowers Edward Snowden zufolge wurde aber auch der deutsche SIM-Kartenhersteller Giesecke & Devrient ins Visier genommen. Die mit Hacker-Methoden erbeuteten Schlüssel zu den SIM-Karten ermöglichten es, unauffällig die Kommunikation von Nutzern zu überwachen.
Durch die Angriffe im Auftrag der anglo-amerikanischen Geheimdienste könnte auch die Sicherheit von elektronischen Personalausweisen und Pässen, Bank- und Kreditkarten oder Schlüssel-Generatoren für das Online-Banking ausgehebelt worden sein. In diesen Bereichen werden ähnliche Chips mit geheimen Schlüsseln wie in den SIM-Karten verwendet.
SIM-Karten-Hersteller besorgt
Gemalto, Hersteller von rund zwei Milliarden SIM-Karten im Jahr, zeigte sich sehr besorgt. Jetzt sei das Wichtigste, zu verstehen, wie der Angriff passieren konnte, um eine Wiederholung zu verhindern, sagte Gemalto-Manager Paul Beverly «The Intercept».
Das genaue Ausmass des Datendiebstahls ist bisher unklar. In einem Papier geht es nur um einen Zeitraum von drei Monaten im Jahr 2010, in dem Millionen Schlüssel erbeutet worden seien. Wie es heisst, habe man einen Weg gefunden, die Codes auf dem Weg zwischen SIM-Hersteller und Netzbetreibern abzufangen.
Dabei spielte offenbar auch eine breit angelegte Überwachung der Kommunikation von Mitarbeitern der SIM-Karten-Hersteller eine zentrale Rolle. Ausserdem wurden demnach auch Mitarbeiter aus der Mobilfunkindustrie – etwa von Nokia, Ericsson und Huawei – bespitzelt.
Die Schlüssel auf der SIM-Karte dienen zum einen dazu, das Einbuchen eines Handys in ein Mobilfunknetz zu ermöglichen und ein Telefon zum Beispiel für Abrechnungszwecke eindeutig im Netz zu identifizieren. Gleichzeitig wird mit dem sogenannten «Ki» auch die Verbindung zwischen der SIM-Karte und dem Netz verschlüsselt. Die Hersteller betonen wiederholt, dass die SIM-Karte ein geschützter Ort sei und bauen auf ihr auch Zusatzdienste auf.
Abhören leicht gemacht
Sollte es den Geheimdiensten tatsächlich gelungen sein, die Schlüssel massenhaft zu erbeuten, wären sie technisch in der Lage, Handy-Gespräche auch ohne richterlichen Beschluss und Mitwirkung der Mobilfunk-Provider abzuhören, selbst wenn moderne Mobilfunkstandards wie LTE oder UMTS verwendet werden. Ein Überwacher könnte sich leichter als Teil der Netzinfrastruktur ausgeben, wenn die Codes bekannt sind.
Dass NSA und GCHQ Telefongespräche und andere Kommunikation auf breiter Front abgreifen können, was bereits bekannt. Ein Diebstahl von SIM-Karten-Codes wäre eine weitere Erklärung für diese Fähigkeiten.
Die Website «The Intercept» wertet die Unterlagen aus, die der Informant Edward Snowden bei der NSA herunterlud. Er hatte die Dateien im Juni 2013 den Journalisten um den Enthüllungsreporter Glenn Greenwald übergeben; seitdem werden sie häppchenweise veröffentlicht.
Aus den aktuell präsentierten Unterlagen geht hervor, dass auch weitere SIM-Hersteller im Visier der beiden Geheimdienste standen. Ob Letztere auch bei diesen erfolgreich waren, erfährt man daraus nicht. Einer der führenden Gemalto-Konkurrenten ist Giesecke & Devrient aus Deutschland, der in einem Dokument aus dem Snowden-Fundus auch namentlich als Angriffsziel genannt wird.