Solothurner Literaturtage schliessen erneut mit Besucherrekord

Mit einer Diskussion zwischen Adolf Muschg und alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey sind am Sonntag die 36. Solothurner Literaturtage zu Ende gegangen. Trotz Prachtwetter und geringerer Anzahl Veranstaltungen wurden wie im Rekordjahr 2013 etwa 15’000 Besucher gezählt.

Micheline Calmy-Rey und Adolf Muschg diskutieren in Solothurn (Bild: sda)

Mit einer Diskussion zwischen Adolf Muschg und alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey sind am Sonntag die 36. Solothurner Literaturtage zu Ende gegangen. Trotz Prachtwetter und geringerer Anzahl Veranstaltungen wurden wie im Rekordjahr 2013 etwa 15’000 Besucher gezählt.

Die Solothurner Literaturtage gingen erneut mit einem Besucherrekord zu Ende. An der Schlussveranstaltung diskutierten Adolf Muschg und alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey. Muschg erhielt die beste «Sendezeit» zu Ehren seines 80. Geburtstags. Und weil er gemeinhin als der politischste unter den lebenden Schweizer Autoren gilt, setzte man ihm Calmy-Rey und ihr Buch «Die Schweiz, die ich uns wünsche» gegenüber.

Die von Roger de Weck moderierte zweisprachige Diskussion verlief heiter und harmonisch, über das Verhältnis von Romands und Deutschschweizer, die Vielsprachigkeit der Schweiz und ihre Vorbildhaftigkeit für die EU war man sich einig.

Einzig als Muschg daran erinnerte, dass die Schweiz ohne die «Asylanten» der letzten Jahrhunderte nicht wäre, was sie ist und dem Satz ein «verdammt nochmal» folgen liess, erschreckte die alt Bundesrätin kurz.

Der Andrang zur Veranstaltung erinnerte an ein Popkonzert: Die Übereifrigen reservierten sich schon morgens die besten Plätze, andere stellten sich eine Stunde vor Türöffnung an.

Vorwiegend Bekanntes

Mit «Grüessech Solothurn» hatte Lukas Bärfuss am Freitag ebenfalls im brechend vollen Landhaussaal den Lesereigen gestartet. Full House an der Eröffnungslesung hatte es in Solothurn noch selten gegeben. Dabei dürfte der grösste Teil des Publikums Bärfuss‘ Bestseller «Koala» schon gelesen haben. Noch im Jahr 2000 hatte der Thuner an den Literaturtagen behauptet, wenn er nicht für jede Lesung etwas Frisches schreibe, werde ihm langweilig. Diesmal gab’s nur Konserve.

Allgemein war dieses Jahr in Solothurn hauptsächlich Bekanntes aus der zu Ende gehenden Saison zu hören: beispielsweise Gertrud Leuteneggers «Panischer Frühling», Eleonore Freys «Unterwegs nach Ochotsk», Dorothee Elmigers «Schlafgänger» und Heinz Helles «Der beruhigende Klang von explodierendem Kerosin».

Satz- und andere Monster

Besonders viel Applaus erhielt der Bachmannpreisträger Reto Hänny für «Blooms Schatten». Darin bringt er das Kunststück fertig, James Joyces «Ulysses» in einem einzigen, 130-seitigen Satz zusammenzufassen. Ebenfalls zu begeistern vermochte Nora Gomringer mit ihren «Monster Poems» – angeblich der Renner in Gefängnisbibliotheken, noch vor Dan Brown und «Shades of Grey».

Noch Ungedrucktes gab es heuer wenig zu entdecken. Freuen darf man sich aber auf die deutsche Übersetzung des skurrilen Bauernhofromans «Le milieu de l’horizon» von Roland Buti, einem der diesjährigen Gewinner des Schweizer Literaturpreises. «Das Flirren am Horizont» erscheint Ende August.

Eher konventionelles Programm

Ihrem Motto «Stimmen – Voix – Voci – Vuschs» wurden die Literaturtage nicht vollkommen gerecht. Einzige rätoromanische Stimmen etwa waren die der «Triada» um die Sängerin Corin Curschellas, die schon 2000 und 2005 an den Literaturtagen auftrat.

Musikalisch-literarische Mischformen gab es zwar leicht mehr als andere Jahre, aber nicht überall, wo Musik draufstand, war auch Musik drin: Die Zürcher Rapperin Big Zis beispielsweise las ihre Texte zu den Bildern von Ingo Giezendanner ganz einfach.

Sehr wohl vielstimmig waren die erstmals durchgeführten Kinderlesungen in albanischer, spanischer, tamilischer und türkischer Sprache. Laut Auskunft der Organisatoren waren sie über Erwarten gut besucht.

Mit dem Genre «Kolumne» nahmen die Literaturtage eine literarische «Stimme» aufs Programm, die sonst nicht bei solchen Veranstaltungen zu hören ist. Hier erfuhr man beispielsweise von Peter Schneider («Scheiss als Schanxe»), dass sein Treibstoff «die Genervtheit über Blödheit» ist. Diese Ressource dürfte ihm so schnell nicht ausgehen.

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