Die 28 EU-Innenmister haben sich an ihrem Treffen in Brüssel über Massnahmen gegen Armutsmigration gestritten. Laut Bundesrätin Simonetta Sommaruga besteht diesbezüglich nationaler Spielraum, den die Schweiz bereits nutzt.
Da die Schweiz zum Schengenraum gehört, ist sie bei den Beratungen der EU-Innenminister vertreten. Beim Treffen am Donnerstag stand die Politik der Schengenländer im Kampf gegen die durch das Wirtschaftsgefälle ausgelöste Migration.
Für die EU-Kommission ist das Problem der innereuropäischen Armutsmigration jedoch «marginal», wie EU-Justizkommissarin Viviane Reding vor Schweizer Journalisten sagte. Die Probleme lägen bei der Umsetzung und damit bei der Gesetzgebung der einzelnen EU-Ländern. Sie forderte diese deshalb auf, «die Hausaufgaben zu machen».
Die Schweiz nutze bereits heute diesen nationalen Spielraum, sagte Sommaruga in Brüssel. In Anspielung auf die Klagen Grossbritanniens wegen Sozialhilfemissbrauchs machte die Bundesrätin klar, dass «aufgrund des Freizügigkeitsabkommens kein Arbeitssuchender das Anrecht hat, Sozialhilfe zu beziehen». Dies gelte auch für die Schweiz. Kantone, die trotzdem Sozialhilfe zahlten, täten dies freiwillig.
Einige Punkte, die von Grossbritannien kritisiert würden, beträfen zudem die Unionsbürgerschaft, «die für die Schweiz nicht gilt», sagte sie. Dabei geht es in erster Linie um Sozialleistungen für Nichterwerbstätige.
Deutschland will multilaterale Verständigung
Die Diskussion um den Missbrauch von Sozialleistungen durch mittellose EU-Migranten ins Rollen gebracht hatte ein im April an die EU-Kommission gerichteter Brief Deutschlands, Österreichs, der Niederlande und Grossbritanniens. Denn die vier EU-Staaten fürchten um ihre Sozialsysteme.
Daher verfasste die EU-Kommission einen Bericht, in dem sie fünf Massnahmen vorschlägt – darunter etwa die bessere Bekämpfung von Scheinehen. Mehreren Staaten geht die Antwort aus Brüssel jedoch zu wenig weit.
Wiedereinführung von Visa
Die EU-Minister stimmten bei ihrem Treffen der Einführung einer Visa-Schutzklausel zu. Damit dürfen die Schengen-Staaten – und so auch die Schweiz – von Reisenden aus Bosnien-Herzegowina, Albanien, Mazedonien, Montenegro und Serbien wieder Visa verlangen. In den letzten Jahren hatte die EU auf den Visums-Zwang für diese Länder verzichtet. Grund für die Schutzklausel ist die hohe Zahl von Asylgesuchen von Menschen aus dieser Region – vor allem von Roma.
Konkret dürfen EU-Staaten die Visa-Freiheit für ein Land aufheben, wenn es einen «substanziellen und plötzlichen Anstieg» bei der Zahl illegaler Einwanderer oder von unbegründeten Asylanträgen gibt. Dazu brauchen sie aber die Zustimmung der anderen Staaten.
Gemäss Sommaruga gab es jedoch keine konkreten Anzeichen, dass ein Staat diese Schutzklausel anrufen wird. Gegenüber ihren Amtskollegen verwies sie auf die von der Schweiz erfolgreich praktizierte 48-Stunden-Regel, mit deren Hilfe «die Asylgesuche rasch zurückgegangen sind». Ausserdem lobte die Vorsteherin des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) die Mobilitätspartnerschaften mit Staaten, aus denen diese Asylantragsteller kommen.