Sonntagsallianz will keinen 24-Stunden-Arbeitstag

«Nein zum 24-Stunden-Arbeitstag»: Mit diesem Slogan haben die Organisationen der Sonntagsallianz am Dienstag den Abstimmungskampf zur Lockerung des Arbeitsgesetzes für Tankstellenshops eröffnet. Das Volk entscheidet am 22. September.

Die "Sonntagsallianz" fürchtet längere Öffnungszeiten (Archiv) (Bild: sda)

«Nein zum 24-Stunden-Arbeitstag»: Mit diesem Slogan haben die Organisationen der Sonntagsallianz am Dienstag den Abstimmungskampf zur Lockerung des Arbeitsgesetzes für Tankstellenshops eröffnet. Das Volk entscheidet am 22. September.

Auf den ersten Blick handle es sich um eine kleine Änderung, sagten die Vertreterinnen und Vertreter der Sonntagsallianz vor den Medien in Bern. In Wahrheit gehe es aber um weit mehr als um Tankstellenshops. «Was heute bei den Tankstellenshops gilt, ist morgen im ganzen Detailhandel die Regel», warnte Vania Alleva, Co-Präsidentin der Gewerkschaft Unia.

Die Lockerung der Regeln über die Nacht- und Sonntagsarbeit im Arbeitsgesetz würde Tankstellenshops erlauben, künftig rund um die Uhr sämtliche Produkte aus ihrem Sortiment zu verkaufen. Die Shops könnten in der Nacht ohne Sonderbewilligung Personal beschäftigen, wenn das Warenangebot in erster Linie auf die Bedürfnisse der Reisenden ausgerichtet ist.

Nur der erste Schritt

Unter dem Namen «Sonntagsallianz» haben Gewerkschaften gemeinsam mit anderen linken und kirchlichen Gruppierungen dagegen das Referendum ergriffen. Sie sehen die neuen Regeln als ersten Schritt zu einer weiteren Deregulierung der Ladenöffnungs- und Arbeitszeiten.

Tatsächlich hat das Parlament bereits Vorstössen für weitergehende Liberalisierungen zugestimmt. Es verlangt etwa, dass Detailhändler künftig in der ganzen Schweiz ihre Produkte werktags bis 20 Uhr und samstags bis 19 Uhr verkaufen dürfen.

Eine Grundsatzentscheidung

Mit dem Kampf gegen die Liberalisierung bei den Tankstellenshops will die Sonntagsallianz ein Zeichen gegen diese Entwicklung setzen. Es gehe um eine Grundsatzentscheidung, sagte Thomas Wallimann von der Kommission Justitia et Pax der Schweizer Bischofskonferenz.

Im Leben gebe es Dinge, die nicht wirtschaftlichen Überlegungen geopfert werden dürften. Der Sonntag habe einen fundamentalen Stellenwert für das gesellschaftliche Zusammenleben.

Kein echtes Bedürfnis

Die Gegnerinnen und Gegner der Liberalisierung ziehen auch in Zweifel, dass längere Öffnungszeiten einem echten Bedürfnis entsprechen. «Liberalisierungsturbos» versuchten dies der Bevölkerung seit Jahren weiszumachen, sagte Kurt Regotz, Präsident der Gewerkschaft Syna. Es stimme aber nicht. In Wahrheit gehe es um Profit um jeden Preis, kritisierte auch der Neuenburger SP-Nationalrat Jacques-André Maire.

Werde Nachtarbeit erst einmal gesetzlich verankert und nicht mehr als Ausnahme deklariert, führe dies zu einem Dammbruch – mit gravierenden Auswirkungen für das Verkaufspersonal, das schon heute unter tiefen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen leide. Betroffen wären insbesondere Frauen.

Schlafstörungen und Depressionen

Arbeitsmediziner Klaus Stadtmüller wies auf die gesundheitlichen Folgen hin. Mehr als die Hälfte jener, die nachts arbeiteten, litten an Schlafstörungen. Auch psychische Störungen bis zu Erkrankungen wie Depressionen träten vermehrt auf, ebenso Verdauungsbeschwerden und Bluthochdruck.

Arbeitsmediziner seien nicht generell gegen Nacht- und Schichtarbeit, versicherte Stadtmüller. Sie stellten sich aber gegen die Einführung unnötiger Nachtarbeit. «Shopping mitten in der Nacht ist überflüssig wie ein Schilddrüsenkropf.»

Für die Grünen wiederum geht es nicht zuletzt um ökologische Aspekte, wie der Zürcher Nationalrat Daniel Vischer erklärte. Mit der Gesetzesänderung würde der motorisierte Einkaufsverkehr rund um die Uhr gefördert. Zum Vorwurf, die Sonntagsallianz sei konservativ, sagte Vischer, «konservativ» bedeute «bewahrend», und manchmal sei das Bewahrende das Fortschrittliche.

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