Der Emir von Katar hat die Macht an seinen 33-jährigen Sohn Tamim abgegeben. In Zukunft muss er zuhause den Spagat zwischen Tradition und Moderne und in der Region zwischen Einfluss und Einmischung schaffen.
In einer Fernsehansprache hat Emir Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani seinem Volk am Dienstagmorgen verkündet, was seit einigen Wochen ein offenes Geheimnis war. Der Emir tritt zugunsten seines Sohnes, des bisherigen Kronprinzen, Scheich Tamim bin Hamad al-Thani zurück. Er übergebe das Zepter an die junge Generation, erklärte der 61-jährige und rief diese gleichzeitig auf, die traditionellen Werte des Öl und Gas reichen Emirates hochzuhalten. Es war das erste Mal, dass ein amtierender Herrscher der Golfregion aus freiwilligen Stücken seine Funktion abgab. Hamad selbst war im Jahr 1995 in einem unblutigen Coup an die Macht gekommen. Er hatte das Amt an sich gerissen, als sein Vater auf einer Auslandreise weilte.
Scheich Tamim ist der zweite Sohn des abtretenden Emirs und seiner zweiten Frau Moza. Er ging in Frankreich und England zu Schule und hat wie sein Vater die Militärakademie im britischen Sandhurst abgeschlossen. Auch Tamim ist zwei Mal verheiratet und hat Kinder aus beiden Ehen. Bisher war er stellvertretender Kommandant der Streitkräfte und Chef des Nationalen Olympischen Komitees. Er ist auch Vorsitzender des Organisationskomitees für die Fifa-Fussballweltmeisterschaft im Jahr 2022. Zudem ist er Vize-Präsident des Obersten Rates für Wirtschaft und Investitionen des reichsten Landes der Welt.
Aussenpolitik mit Checkbuch
Als erste haben die Nachbarn Saudi-Arabien und die Emirate dem jungen Monarchen gratuliert. Dieser war in politischer Mission erst in den letzten Monaten vermehrt aufgetreten, etwa bei Treffen der Arabischen Liga und Konferenzen zum Thema Syrien. Katar mit weniger als zwei Millionen Einwohnern hat unter Scheich Hamad nicht nur eine rasante ökonomische Entwicklung durchgemacht – bis 2022 soll sich die Wirtschaftskraft nochmals vervierfachen – sondern vor allem auch seinen politischen Einfluss ausgebaut. Ein wichtiges Vehikel dazu war al-Jazeera, der erste Nachrichtensender der arabischen Welt, der 1996 auf Sendung ging und jährlich mit vielen Dollar-Millionen unterstützt wird.
Es gibt keinen Konflikt in der Region von Jemen, über den Sudan bis nach Palästina und in den Libanon, in dem Katar in den letzten Jahren nicht als Vermittler aufgetreten ist. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg. Wobei das Checkbuch immer eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat. Im arabischen Frühling gehörte Doha wieder zu den treibenden Kräften, insbesondere in Libyen und in Syrien, wo die bewaffnete Rebellion unterstützt wird. Ein besonders enges Verhältnis hat Katar als Verfechter eines moderaten Islam zu den Muslimbrüdern, von denen in den 50er-Jahren viele nach Doha geflohen sind. Sie haben massgeblich zum Aufbau des jungen Staates beigetragen und das Herrscherhaus immer unterstützt. Als Dank sind deshalb seit der Revolution bereits fünf Milliarden Dollar in die Kassen der Regierung der Muslimbrüder in Kairo geflossen.
Im arabischen Frühling gehörte Doha zu den treibenden Kräften.
Die in Doha erscheinende Zeitung al-Arab hat schon vor Tagen die Frage aufgeworfen, ob die junge Generation diese enge Bindung aufrecht erhalten werde, insbesondere wenn auch noch der langjährige Regierungschef und Aussenminister Scheich Hamad bin Jassem al-Thani ausgewechselt wird. «Der Emir greift mitten in der Nacht eigenhändig zum Telefon», hat ein Politologe in Doha das aussenpolitische Engagement des bisherigen Herrschers im Gespräch einmal beschrieben. Die politische Verstrickung, die etwa in Libyen oder Ägypten auch auf Kritik stösst, ist so ausgeprägt, dass die Strategie allenfalls schrittweise neu ausgerichtet und sich als erstes nur die Stil ändern wird.
Zögerliche innere Öffnung
Geführt wird der gesellschaftlich konservative Kleinstaat fast wie ein Unternehmen. Eine Handvoll Personen treffen die Entscheide und daran wird sich wohl auch in Zukunft nichts ändern. Die Vorstellungen sind in den «Nationalen Visionen 2030» festgehalten. Darin wird als grösste Herausforderung, die Balance zwischen Tradition und Moderne bezeichnet. Nicht zufällig hat Scheich Hamad mit dem Bau eines grandiosen islamischen Museums einen neuen architektonischen Blickfang an der Küstenpromenade in Doha neben all den auswechselbaren Wolkenkratzern geschaffen.
Trotz des freiwilligen Machtwechsels bleibt auch Katar eine absolute Monarchie. Der Emir hat damit immerhin angedeutet, dass er die Zeichen der Zeit in der Region richtig gedeutet hat. Eine Kultur der Partizipation gibt es im eigenen Land erst in Ansätzen. Was als Nicht-Regierungsorganisation aussieht, ist immer vom Staat finanziell unterstützt. Im Herbst sollen nun endlich, nach vielen Jahren Verzögerung, 30 von 45 Mitgliedern einer beratenden Versammlung vom Volk gewählt werden.