Der zweite WM-Spieltag bringt den Vorrunden-Schlager schlechthin. In der Gruppe B treffen heute die Finalisten von 2010 im Direktduell aufeinander. Titelverteidiger Spanien spielt gegen Holland.
Wenn um 21 Uhr zur Partie in Salvador angepfiffen wird, kommt es zu einer Premiere in der 84-jährigen WM-Geschichte. Erstmals spielen der Weltmeister und der vor vier Jahren unterlegene Finalist schon in einem Vorrunden-Spiel gegeneinander. Die Holländer können sich bereits ungewohnt früh den Frust von der Seele nehmen, der sie seit dem 11. Juli 2010 plagt.
Arjen Robben sieht dies zwar nicht ganz so. Mit einem Sieg im Gruppenspiel wäre die Final-Niederlage von 2010 in Johannesburg noch längst nicht kompensiert. «Revanche können wir nur nehmen, wenn wir uns am Schluss im Final nochmals begegnen», sagt Hollands Flügelflitzer von Bayern München. Doch auch er weiss um die Wichtigkeit des Spiels. Dem Verlierer droht für den weiteren Verlauf ziemlich viel Druck. Aber es bietet sich noch immer die Möglichkeit zur Korrektur, wie Spanien vor vier Jahren nach der 0:1-Niederlage im Startspiel gegen die Schweiz eindrücklich bewiesen hat.
Spanien hat auf Stufe Europameisterschaft vor zwei Jahren den EM-Titel von 2008 erfolgreich verteidigen können. Nun hofft das Team von Coach Vicente del Bosque, auch an der WM ein zweites Mal in Folge zuschlagen zu können. Das ist seit 52 Jahren keiner Mannschaft mehr gelungen. Überhaupt konnte erst zweimal ein Weltmeister seinen Erfolg bestätigen: Italien 1938 und Brasilien 1962 mit dem jungen Pelé. Dafür setzte es für den Titelverteidiger schon viermal eine gröbere Pleite ab, zuletzt vor vier Jahren in Südafrika, wo Italien in der Vorrunde ebenso hängen blieb wie Frankreich 2002.
Spanien vertraut in Brasilien auf die bewährten Kräfte. 16 Spieler stehen im Kader, die schon in Südafrika mit dabei waren. So viele aktuelle Weltmeister hat noch nie ein Land zum nächsten Turnier mitgenommen. Und vermutlich werden gegen Holland acht Akteure auflaufen, die schon 2010 jubeln durften. Unter ihnen befindet sich auch Goalie Iker Casillas, der einen Rekord anvisiert. Er könnte den Italiener Walter Zenga übertrumpfen, der 1990 während 517 Minuten kein Tor zugelassen hatte. Casillas, der 2010 ab den Achtelfinals ungeschlagen geblieben war, steht aktuell bei 433 Minuten.
Im Gegensatz zu den Spaniern blieb bei den Holländern vom WM-Team 2010 nur wenig übrig. Geblieben ist dank Wesley Sneijder, Arjen Robben und Robin van Persie das offensive Potenzial, daneben aber baute der neue Coach Louis van Gaal doch kräftig um, insbesondere in der Abwehr. Und zudem spielt Holland auch nicht mehr im traditionellen 4-3-3-System, was in seiner Heimat längst nicht alle verstehen.
Das zweite Spiel der Gruppe B wird zu einer besonders heissen Angelegenheit. Derweil sich Spanien und Holland in Salvador an der Atlantikküste messen, müssen Chile und Australien in Cuiaba antreten, 2000 Kilometer vom Pazifik und vom Atlantik entfernt. Dort erreicht das Thermometer landesweite Höchstwerte, selbst im brasilianischen Winter schnellen die Temperaturen auf bis zu 35 Grad.
Gefordert sind ein erstes Mal aber auch die Fans in Europa, denen die erste Nachtübung bevorsteht. Der Kickoff der Partie erfolgt zur europäischen Geisterstunde exakt um Mitternacht. Wer nicht vor dem Fernseher sitzt, verpasst wohl den ersten Auftritt von zumindest einem der insgesamt fünf ausländischen Spieler der Schweizer Super League, die in den Kadern der 32 WM-Teilnehmer stehen.
Bei Chile dürfte Marcelo Diaz vom FC Basel von Beginn an im Mittelfeld die Fäden ziehen. Chile darf sich gegen den Aussenseiter vom fünften Kontinent keinen Ausrutscher erlauben, um gegen Spanien und Holland im Rennen um die Achtelfinal-Qualifikation zu bleiben. Sorgen machen sich die Chilenen um Arturo Vidal. Der Mittelfeldspieler von Juventus Turin, neben Barcelonas Torjäger Alexis Sanchez der bekannteste Akteur bei den Südamerikanern, dürfte nach seiner Knie-Operation von Anfang Mai geschont und nur im Notfall eingesetzt werden.
Bei den Australiern stehen mit Dario Vidosic vom FC Sion und Oliver Bozanic vom FC Luzern zwei «Schweizer» im Kader.